Der Krater des Vulkans Tombora in Indonesien (Durchmesser ca. 7 km). Sein Ausbruch 1815 sorgte in Europa für ein "Jahr ohne Sommer". Die Sulfat-Spuren, die er im grönländischen und antarktischen Eis hinterließ, dienten als Vergleich für die aktuelle Modellstudie. Foto: NASA
Die Caldera des Vulkans Atitlan in Guatemala. Vergangene Ausbrüche dieses Vulkans und anderer zentral-amerikanischer Vulkane waren im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 574 rekonstruiert worden. Sie dienten als Grundlage für die aktuellen Modellrechnungen. Foto: S. Kutterolf, GEOMAR

Vulkanspuren im Eis besser lesen

GEOMAR-Forscher modellieren globale Verteilung von Schwefelpartikeln nach großen Eruptionen

05.07.2013/Kiel. Wie stark haben Vulkane in vergangenen Jahrtausenden die Atmosphäre mit Schwefel-Partikeln belastet? Um diese Frage zu beantworten, nutzen Wissenschaftler unter anderem Eisbohrkerne als Klimaarchiv. Doch ausgerechnet bei einigen zentralen vulkanischen Großereignissen der Vergangenheit unterscheiden sich die Ergebnisse, je nachdem, ob die Kerne aus der Antarktis oder aus Grönland stammen. Atmosphärenforscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und des MPI für Meteorologie Hamburg haben jetzt eine Erklärung gefunden, die die Interpretation der Eisbohrkerne deutlich verbessern könnte. Ihre Studie ist in der aktuellen Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift „Journal of Geophysical Research – Atmosphere“ erschienen.

Unwetter, Kälte, Missernten – das Jahr 1816 ging als „Jahr ohne Sommer“ in die europäische Geschichte ein. Grund war der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora ein Jahr zuvor. Er hatte riesige Mengen von Schwefelverbindungen bis in die Stratosphäre (15-50 km Höhe) geschleudert. Dort verteilten sie sich um den gesamten Erdball und schwächten die Einstrahlung der Sonne für mehrere Jahre deutlich ab. Derartig intensive Vulkanausbrüche sind in der Erdgeschichte recht häufig. Um ihren Einfluss auf das Klima und die Atmosphäre besser zu verstehen, versuchen Wissenschaftler sie genau zu rekonstruieren. Eine wichtige Informationsquelle sind dabei Eisbohrkerne aus Grönland und der Antarktis. Denn die vom Vulkan ausgestoßenen Schwefel-Partikel sinken wieder auf die Erdoberfläche. Ein Teil wird im Eis der Polarregionen eingeschlossen und kann auch nach Jahrtausenden noch analysiert werden. Die einstige Aerosol-Belastung der Atmosphäre wird daraus mit Hilfe einer einfachen Verhältnis-Rechnung abgeleitet.

Doch diese Methode hat ihre Grenzen. „Vulkanische Aerosole in der Stratosphäre absorbieren auch Infrarot-Strahlung und heizen diese auf. Dadurch ändern sie auch die Windverhältnisse in der Stratosphäre“, erklärt Dr. Matthew Toohey, Atmosphärenforscher am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Mit Hilfe eines Atmosphärenmodells hat er nun die Auswirkungen dieses Phänomens getestet. „Dabei haben wir herausgefunden, dass die Ablagerung von Schwefelverbindungen in der Antarktis nach sehr großen Vulkanausbrüchen in den Tropen geringer sein könnte, als bisher angenommen“, fasst der Atmosphären-Forscher die Ergebnisse der Studie zusammen, die jetzt in der aktuellen Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift „Journal of Geophysical Research – Atmosphere“ erschienen ist.

Für die Untersuchung haben Dr. Toohey und seine Kolleginnen vom GEOMAR und vom Max-Planck-Institut für Meteorologie Hamburg mit einem Aerosol-Klima-Modell 70 verschiedene Vulkanausbruchsszenarien nachvollzogen und dabei die Verteilung der Schwefelpartikel analysiert. Als Grundlage dienten reale Vulkanausbrüche der vergangenen 200.000 Jahre in Zentralamerika, die im Rahmen des Kieler Sonderforschungsbereichs 574 untersucht worden waren. „Bei unseren Berechnungen konnten wir deutlich die Verteilungs- und Ablagerungsunterschiede zwischen Nord- und Südhalbkugel erkennen“, erklärt die Co-Autorin und Leiterin der Arbeitsgruppe PD Dr. Kirstin Krüger. Die im Modell berechnete räumliche Ablagerung der Schwefelpartikel in den bipolaren Eisbohrkernen passte gut zu den real gemessenen Ablagerungen großer Vulkanausbrüche wie des Pinatubo von 1991 oder eben des Tambora von 1815.

„Wenn wir wissen, wie sich vulkanische Schwefelpartikel auf die atmosphärischen Winde auswirken, lassen sich die Spuren der vulkanischen Aktivitäten in den Eisbohrkernen viel besser interpretieren“, betont Dr. Toohey. Zum einen kann so die Stärke eines Ausbruchs besser abgeschätzt werden. Zum anderen können aber auch Spuren von Vulkanausbrüchen, die bisher keinem bestimmten Ereignis oder keinem bestimmte Vulkan zugeordnet werden konnten, besser zu ihrem Ursprung zurückverfolgt werden.

„Auf jeden Fall geben die Ergebnisse unserer Modellstudie einen deutlichen Hinweis darauf, dass die bipolare Variabilität der Sulfateinlagerungen unbedingt berücksichtigt werden muss, wenn die Spuren von großen Vulkanausbrüchen aus Eisbohrkernen herausgelesen werden“, sagt PD Dr. Krüger, „Mehrere wissenschaftliche Arbeitsgruppen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, haben schon Kontakt mit uns aufgenommen, um ihre Daten an unseren Modellergebnissen zu eichen“.


Originalarbeit:
Toohey, M., K. Krüger and C. Timmreck (2013), Volcanic sulfate deposition to Greenland and Antarctica: A modeling sensitivity study, J. Geophys. Res. Atmos., 118, 4788–4800, http://dx.doi.org/10.1002/jgrd.50428.

 

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Der Krater des Vulkans Tombora in Indonesien (Durchmesser ca. 7 km). Sein Ausbruch 1815 sorgte in Europa für ein "Jahr ohne Sommer". Die Sulfat-Spuren, die er im grönländischen und antarktischen Eis hinterließ, dienten als Vergleich für die aktuelle Modellstudie. Foto: NASA
Die Caldera des Vulkans Atitlan in Guatemala. Vergangene Ausbrüche dieses Vulkans und anderer zentral-amerikanischer Vulkane waren im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 574 rekonstruiert worden.  Sie dienten als Grundlage für die aktuellen Modellrechnungen. Foto: S. Kutterolf, GEOMAR

 

Ansprechpartner:
Jan Steffen (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2811, jsteffen(at)geomar.de 

Der Krater des Vulkans Tombora in Indonesien (Durchmesser ca. 7 km). Sein Ausbruch 1815 sorgte in Europa für ein "Jahr ohne Sommer". Die Sulfat-Spuren, die er im grönländischen und antarktischen Eis hinterließ, dienten als Vergleich für die aktuelle Modellstudie. Foto: NASA
Der Krater des Vulkans Tombora in Indonesien (Durchmesser ca. 7 km). Sein Ausbruch 1815 sorgte in Europa für ein "Jahr ohne Sommer". Die Sulfat-Spuren, die er im grönländischen und antarktischen Eis hinterließ, dienten als Vergleich für die aktuelle Modellstudie. Foto: NASA
Die Caldera des Vulkans Atitlan in Guatemala. Vergangene Ausbrüche dieses Vulkans und anderer zentral-amerikanischer Vulkane waren im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 574 rekonstruiert worden.  Sie dienten als Grundlage für die aktuellen Modellrechnungen. Foto: S. Kutterolf, GEOMAR
Die Caldera des Vulkans Atitlan in Guatemala. Vergangene Ausbrüche dieses Vulkans und anderer zentral-amerikanischer Vulkane waren im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 574 rekonstruiert worden. Sie dienten als Grundlage für die aktuellen Modellrechnungen. Foto: S. Kutterolf, GEOMAR