Titelmotiv des Beitrags der Arbeitsgruppe II des Weltklimarats IPCC zum Sechsten Sachstandsbericht (Ausschnitt)

Jetzt handeln – zum Schutz von Ozean, Artenvielfalt und Klima

Das GEOMAR zum neuen Bericht der Arbeitsgruppe II des Weltklimarats

28.02.2022/Kiel/Berlin. Der Bericht der Arbeitsgruppe II des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) führt nochmals in aller Klarheit vor Augen, wie stark wir unsere eigenen Lebensgrundlagen bereits verändert haben und welche Risiken nicht mehr auszuschließen sind. Er zeigt vor allem aber, was wir tun können, um unser Wohlergehen auf diesem Planeten zu sichern. Eindrücklicher als je zuvor betont der Weltklimarat Abhängigkeiten zwischen Klima, Artenvielfalt und unserer eigenen Existenz: Wir Menschen sind Teil des Systems, das wir beeinflussen, und es liegt in unserer Hand, unsere Zukunft klimafreundlich, nachhaltig und gerecht zu gestalten.

270 Autor:innen aus 67 Ländern haben über mehr als drei Jahre tausende wissenschaftliche Studien ausgewertet, um aufzuzeigen, wie weit der Klimawandel bereits fortgeschritten ist, welche Auswirkungen er in den verschiedenen Regionen der Welt hat und welche Veränderungen in der Zukunft je nach Entwicklung der Treibhausgas-Emissionen und der Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu erwarten sind.

„Mit dem Bericht der Arbeitsgruppe II des Weltklimarats liegen die neuesten Erkenntnisse für unser Handeln zum Klimaschutz komprimiert auf dem Tisch“, betont Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel. „Unser Respekt gilt allen Beteiligten, die dieses gewichtige wissenschaftliche Werk trotz der Pandemie und zuletzt vor dem Hintergrund einer sich dramatisch ändernden politischen Lage fertiggestellt und im Konsens verabschiedet haben. Nun liegt es an uns allen, das Wissen entschieden umzusetzen. Die Politik ist gefordert, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.“

Erste Schritte seien in der Anpassung an den Klimawandel bereits unternommen, und viele weitere Optionen seien verfügbar, um Risiken für Menschheit und Natur zu verringern, so eine zentrale Aussage aus der „Zusammenfassung für Entscheidungsträger“ des neuen Berichts. Doch die neuesten Projektionen zeigen auch, dass eine an den Klimawandel angepasste Entwicklung noch dringender und schneller benötigt werde als frühere IPCC-Berichte vermuteten. Zum Erfolg entsprechender Maßnahmen tragen alle Ebenen der Gesellschaft gemeinsam bei – die Politik ebenso wie die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft. „Die Forschung liefert als wichtiger Teil der Gesellschaft anwendbares Wissen – nicht nur über die umfassenden Auswertungen und Sachstandsberichte des Weltklimarats, sondern auch über den unmittelbaren, regelmäßigen Dialog mit Öffentlichkeit und Politik“, erklärt Professorin Matthes.

Im Ozean beobachtet der Weltklimarat eine weitere Zunahme von Erwärmung und Hitzewellen, Sauerstoffmangel und Versauerung sowie des Meeresspiegelanstiegs. Bereits heute hat die Artenvielfalt dramatisch abgenommen, und das Risiko einer weiteren Abnahme steigt mit einer Erwärmung über 1,5° Celsius immens. Schon jetzt beeinträchtigen die Veränderungen wichtige Funktionen des Ozeans wie die Regulierung des Klimas, die Nahrungsverfügbarkeit sowie die Grundlage für das Wohlergehen und den Lebensunterhalt vieler Menschen weltweit. Um diese Funktionen zu erhalten, seien die Wiederherstellung und der Schutz der Artenvielfalt und wichtiger natürlicher Lebensgemeinschaften eine entscheidende Basis, so der Report.

„Intakte Meeresökosysteme können dem Klimawandel besser standhalten und ihre vielfältigen Funktionen erbringen, von denen auch unsere Existenz auf diesem Planeten abhängt,“ sagt Professor Dr. Thorsten Reusch, Leiter des Forschungsbereichs Marine Ökologie und Meeresbiologe am GEOMAR. „Zum Beispiel können sogenannte ‚Blue Carbon‘-Ökosysteme wie Seegraswiesen, Algenwälder und Salzmarschen helfen, Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen und zu speichern. Außerdem profitieren die Artenvielfalt, Fischerei und Küstenschutz von der Renaturierung und dem Erhalt solcher Lebensräume. Der neue IPCC-Bericht hilft uns, solche Synergien zu erkennen und für eine nachhaltige Entwicklung zu nutzen.“

Gleichzeitig sei es wichtig, unseren Treibhausgas-Ausstoß auf netto Null zu bringen, ergänzt Professor Dr. Andreas Oschlies, Leiter der Forschungseinheit Biogeochemische Modellierung am GEOMAR und beitragender Autor der IPCC-Arbeitsgruppe III. „Der Ozean mindert die Auswirkungen des Klimawandels und ist gleichzeitig durch ihn bedroht. Deshalb sollten Optionen für die Anpassung und Minderung des Klimawandels, Natur- und Artenschutz sowie nachhaltige Entwicklung zusammengedacht werden. Der Bericht der Arbeitsgruppe III des Weltklimarats wird uns Anfang April weitere Ansätze für die Reduzierung unserer Emissionen aufzeigen. Auch dabei kann uns der Ozean helfen, wenn wir ihn schützen und entsprechend wissenschaftlicher Erkenntnisse nachhaltig nutzen.“

„Viele der im neuen IPCC-Bericht benannten Lösungen tragen auch zu den Zielen für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen bei. Ozeanbasierte Ansätze für die Anpassung an den Klimawandel unterstützen zum Beispiel vor allem Ziel 14 ‚Leben unter Wasser‘ und Ziel 13 ‚Maßnahmen zum Klimaschutz‘, insbesondere, wenn sie signifikante Beiträge zur Reduzierung der Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre ermöglichen“, hebt Professor Dr. Martin Visbeck hervor, Leiter der Forschungseinheit Physikalische Ozeanographie am GEOMAR und Mitglied des Deutschen Ozeandekaden-Komitees. „Damit bilden die Schlussfolgerungen des Weltklimarats erneut wichtige Grundlagen für internationale klimapolitische Entscheidungen im Jahrzehnt der gerade begonnenen Dekade der Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.“

„Je früher wir handeln, desto mehr Optionen halten wir uns für die Anpassung und Minderung des Klimawandels offen“, urteilt Professor Dr. Mojib Latif, Leiter der Forschungseinheit Maritime Meteorologie und Klimaphysiker am GEOMAR. „Auf jeden Fall müssen wir schnell die Emissionen von Treibhausgasen senken, um unumkehrbare Ereignisse abzuwenden.“

Titel IPCC AR6 WGII

Titelmotiv des Beitrags der Arbeitsgruppe II des Weltklimarats IPCC zum Sechsten Sachstandsbericht (Ausschnitt)