Viator am Meeresboden. Foto: Uli Kunz, Submaris

Erster Tiefsee-Einsatz für Meeresboden-Crawler VIATOR

Helmholtz-Allianz ROBEX testet auf Polarstern-Expedition innovative Technologien

22.08.2017/Kiel/Tromsø. Heute startet das Forschungsschiff Polarstern im norwegischen Tromsø zu einer besonderen Expedition in die Arktis: Mehrere robotische Systeme, die Tiefsee- und Weltraumforscher im Rahmen der Helmholtz-Allianz ROBEX gemeinsam entwickelt haben, werden knapp drei Wochen lang unter Realbedingungen in der Tiefsee getestet. Dazu zählt auch der vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel mitentwickelte Crawler VIATOR, der von seiner Dockingstation MANSIO aus autonom den Meeresboden erkunden soll. ROBEX hat das Ziel, neue Technologien für die Erkundung schwer erreichbarer Gebiete mit extremen Umweltbedingungen zu entwickeln.

Sowohl im Weltraum als auch in der Tiefsee herrschen extreme Umweltbedingungen – so extrem, dass der Mensch beide ohne aufwändige Technik nicht erkunden könnte. Gleichzeitig reizen beide den menschliche Wissensdurst gerade wegen der vielen dort verborgenen Geheimnisse. Und beide verheißen Entdeckungen, die auch für das Leben der Menschen auf den Kontinenten der Erde von großer Bedeutung sein können.

Deshalb hat sich innerhalb der Helmholtz-Gemeinschaft eine Allianz gebildet, die „Robotische Exploration unter Extrembedingungen“ vorantreibt: ROBEX. Dafür haben sich Expertinnen und Experten der Tiefsee- und Weltraumforschung aus insgesamt 16 Partnerinstituten in Deutschland zusammengefunden. Mit dabei sind das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI).

Heute startet im norwegischen Tromsø eine Expedition mit dem deutschen Forschungseisbrecher POLARSTERN, während der einige der im Rahmen der ROBEX-Allianz neu entwickelten Technologien unter realen Tiefseebedingungen getestet werden. Darunter ist auch der Tiefsee-Crawler VIATOR. "Das gelbe, unbenannte Raupenfahrzeug wird zusammen mit seinem Lander namens MANSIO vom Forschungsschiff aus auf den Meeresboden herabgelassen. Dort angekommen, fährt es selbständig aus der Lander-Garage heraus und sammelt Daten. Sobald es Energie benötigt oder die Mission beendet ist, soll es eigenständig zurückkehren", erklärt VIATOR-Projektleiter Dr. Sascha Flögel vom GEOMAR und ergänzt: "Der Boden der Tiefsee ist  uneben, die Sicht trübe. Das macht es schwierig, den Weg nach Hause zu finden".

Zahlreiche Praxistests in Testbecken und in der Ostsee haben der VIATOR (lateinisch: der Reisende) und seine MANSIO (lateinisch: Die Herberge) bereits absolviert. Das gesamte System, wurde am GEOMAR in Zusammenarbeit mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft entwickelt. Ähnliche Systeme gibt es bereits in der Weltraumforschung: "Der mittlerweile aus den Medien bekannte Rover 'Curiosity' ist ebenfalls ein weitgehend autonom arbeitender Roboter. Er sammelt auf der Oberfläche des Mars Forschungsdaten und übermittelt einzigartige Fotos. So ähnliche Aufgabe wird VIATOR in der Tiefsee absolvieren", sagt Dr. Flögel.

"Besonders spannend wird die Expedition auch für die ROBEX-Weltraumforscher, die teilweise erstmals auf einem Schiff arbeiten", sagt die ROBEX-Koordinatorin Martina Wilde (ROBEX steht für Robotische Exploration unter Extrembedingungen). Sie erproben gemeinsam mit den Tiefseeforschern weitere innovative Schlüsseltechnologien. So sollen zwei Brüder von VIATOR ihre Tiefseetauglichkeit beweisen: der am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für für Polar- und Meeresforschung entwickelte NOMAD und der ebenfalls am AWI entwickelte TRAMPER. Letzterer ist seit einem Jahr am Meeresboden vor Spitzbergen im Einsatz. Der wissenschaftliche Auftrag von TRAMPER ist die kontinuierliche Messung der Sauerstoffzehrung am Meeresboden. Jeden Montag fährt er dafür 15 Meter über den Meeresgrund, um eine ungestörte Fläche zu erreichen.  Während der anstehenden Expedition soll nun beweisen, dass er nach so langer Zeit auch wieder auftaucht.

Das MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, Airbus und die Universität Würzburg haben gemeinsam einen Gleiter entwickelt, dessen besondere Herausforderungen in dem konstruktiven Design eines Unterwasser-Nurflüglers und dessen Steuerung liegen, die eine räumlich hochauflösende Untersuchung der oberen Ozeanschicht ermöglichen. Weiterentwickelte unbemannte Luftfahrzeuge des AWI und der Universität Würzburg sollen das autonome Unterwasserfahrzeug PAUL vom AWI bei der Navigation in schwer zugänglichen, eisbedeckten Regionen unterstützen.

Außerdem wird das „Lab on a Chip“ getestet, ein hochintegriertes, miniaturisiertes Analysegerät für chemische Messungen, das sowohl in unterschiedlichen Unterwassertechnologien, als auch in zukünftigen Raumfahrtsystemen eingebaut werden kann. Unterstützt und beobachtet werden alle diese Neuentwicklungen vom ROV KIEL 6000 des GEOMAR, einem ferngesteuerten Unterwasserfahrzeug mit Video- und Kamerasystemen. "Sollte eines der neu entwickelten Geräte doch nicht wie geplant funktionieren, können wir die teure Technologie auch wieder bergen", sagt ROV-Team-Leiter Dr. Friedrich Abegg vom GEOMAR. 

Auf dieser Polarstern-Expedition betreten die Weltraum- und Tiefseeforscher mit vielen ihrer Technologien Neuland. "Die Zusammenarbeit in der Allianz ist für beide Seiten total spannend, weil wir so viel voneinander lernen können", berichtet Martina Wilde. Die ROBEX-Koordinatorin hofft, dass diese Tiefsee Demonstrations-Mission ebenso erfolgreich wird, wird die Tests der Weltraumtechnologien, die im Juni 2017 auf dem Vulkan Ätna stattfanden.

Viator am Meeresboden. Foto: Uli Kunz, Submaris
Viator am Meeresboden. Foto: Uli Kunz, Submaris