Bewegte See im tropischen Atlantik. Foto: Martin Visbeck, GEOMAR.
Die schnell wachsende Rutenhirse kann Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden. Foto: Lynn Betts, USDA Natural Resources Conservation Service.

Kein Aufatmen für den Ozean

Modellrechnungen widersprechen Maßnahmen, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre zurückholen sollen

3. August 2015/Kiel, Potsdam. Treibhausgase aus dem Verbrennen von Kohle und Öl verursachen nicht nur eine rasche Erwärmung der Meere, sondern auch eine Versauerung des Wassers - und dies rascher als je in den vergangenen Jahrmillionen. Deshalb gibt es die Idee, künstlich Kohlendioxid aus der Luft zurück zu holen, um die Risiken für das Leben in den Ozeanen zu verringern. Geschieht dies zu spät, so nützt es kaum noch etwas, wie eine neue Studie auf der Grundlage von Computer-Simulationen jetzt zeigt. Wenn die Emissionen in diesem Jahrhundert und darüber hinaus weiter wie bisher zunehmen, bliebe der Ozean noch für Jahrhunderte stark verändert - sogar wenn die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre wieder auf das vor-industrielle Niveau sinken würde. Daher können solche Maßnahmen rechtzeitige Emissionsreduktionen nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.

Gemeinsame Pressemitteilung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel

Geo-Engineering, also eine großtechnische Manipulation des Erdsystems, wird derzeit als eine Art letzter Ausweg diskutiert, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu vermeiden – für den Fall, dass sich die Politik nicht rechtzeitig auf die Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes einigen kann, oder um den Umbau unseres Energiesystems zu verzögern“, sagt Leit-Autorin Sabine Mathesius vom GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Wenn wir uns aber die Ozeane anschauen, dann zeigt sich, dass dieser Ansatz erhebliche Risiken birgt.“

In Szenarien mit frühzeitigen Emissionsreduktionen können diese durch das künstliche Entfernen von Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal genannt, kurz CDR) ergänzt werden. „Aber in einem Szenario mit zunächst unverminderten Emissionen wäre der Ozean, selbst wenn wir den CO2-Gehalt der Atmosphäre später wieder auf das vorindustrielle Niveau bringen könnten, dann dennoch viermal saurer als vor der Industrialisierung“, so Mathesius. „Es würde viele Jahrhunderte brauchen, um das Gleichgewicht von Ozean und Atmosphäre wiederherzustellen.“

Rund ein Viertel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen wurden bisher von den Ozeanen aufgenommen. Dies führt zu chemischen Reaktionen und damit zur Versauerung des Wassers. Langfristig kann dies Meereslebewesen wie Plankton, Korallen oder Muscheln und Schnecken bedrohen, weil die Versauerung die Bildung von Kalkschalen und Skeletten beeinträchtigt. Dies würde die Artenvielfalt und die Nahrungsketten gefährden.

Deshalb wurde Hoffnung in CDR-Maßnahmen zum Entfernen von CO2 aus der Atmosphäre gesetzt. Dazu könnte man zum Beispiel schnell wachsende Pflanzen wie etwa Pappeln oder Gräser anbauen, die  CO2 aus der Luft aufnehmen und den Kohlenstoff in Halme oder Stämme einbauen. Diese könnten dann in Kraftwerken verbrannt werden, bei denen das freiwerdende CO2 abgeschieden und unterirdisch gespeichert wird (CCS). Wie alle CDR-Technologien ist auch diese noch nicht im industriellen Maßstab erprobt, und sie müsste sorgfältig abgewogen werden gegen den Bedarf an Land für die Nahrungsproduktion.

„Wir haben in einem Computer-Experiment simuliert, verschiedene Mengen von CO2 aus der Luft wieder zu entfernen – einmal in realistischer Größenordnung, und einmal  mit 90 Milliarden Tonnen pro Jahr, was mehr als das Doppelte der derzeitigen jährlichen Emissionen und wahrscheinlich nicht machbar wäre“, sagt Ko-Autor Ken Caldeira von der Carnegie Institution for Science in Stanford, USA. Er hatte an der Studie während eines Forschungsaufenthalts am PIK gearbeitet.

Das Experiment wurde unabhängig davon angelegt, welche konkrete Technologie für die Herausnahme des CO2 eines Tages tatsächlich verfügbar sind. „Interessanterweise zeigt sich, dass nach 'business-as-usual' bis 2150 sogar das Herausholen enormer Mengen CO2 aus der Atmosphäre den Ozeanen nicht so viel helfen würde,“ so Caldeira. „Wenn das versauerte Wasser durch die großen Strömungen einmal in die Tiefe transportiert worden ist, ist es dort für viele Jahrhunderte außer Reichweite, ganz egal wie viel CO2 aus der Luft entfernt wird.“

Die Wissenschaftler untersuchten auch die Zunahme der Temperaturen in den Ozeanen, und die Abnahme gelösten Sauerstoffs. Sauerstoff ist für viele Organismen lebenswichtig. Die Erwärmung verlangsamt zudem die Ozean-Umwälzung und verringert die Durchmischung von Oberflächen- und Tiefenwasser, was den Transport von Nährstoffen behindert. Zusammen mit der Versauerung setzen diese Veränderungen die Lebewesen in den Meeren stark unter Druck. Früher in der Erdgeschichte haben solche Veränderungen zu Massenaussterben geführt. Wie sich in Zukunft die Kombination aller drei Faktoren – Sauerstoffmangel, Erwärmung, Versauerung – auf die Tiere und Pflanzen der Meere genau auswirkt, wissen die Forscher noch nicht.

„In den Tiefen des Ozeans wird das chemische Echo der heute verursachten CO2-Emissionen noch Tausende von Jahren nachhallen“, sagt Ko-Autor Hans Joachim Schellnhuber. „Wenn wir nicht rasch Emissionsreduktionen umsetzen, die der 2-Grad-Grenze entsprechen, dann wird es nicht möglich sein, die Ozeane der Welt so zu erhalten, wie wir sie heute kennen.“


Originalarbeit:
Mathesius, S., Hofmann, M., Caldeira, K., Schellnhuber, H. J. (2015): Long-term response of oceans to CO2 removal from the atmosphere. Nature Climate Change (online), doi:10.1038/nclimate2729

Ansprechpartner:
Maike Nicolai (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2807, presse(at)geomar.de
Jonas Viering (PIK Pressestelle), Tel.: 0331 288-2507, presse(at)pik-potsdam.de

 

Bewegte See im tropischen Atlantik. Foto: Martin Visbeck, GEOMAR.
Die schnell wachsende Rutenhirse kann Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden. Foto: Lynn Betts, USDA Natural Resources Conservation Service.