Am 19. September 1994 brach auch der Vulkan Tavurvur in Papua-Neuguinea mit solcher Wucht aus, dass Asche und Gase bis zu 30 Kilometer hoch stiegen. Auf diesem Bild aus dem All ist deutlich zu erkennen, wie sich die Eruptionswolkein dieser Höhe global ausbreitet. Image courtesy of the Earth Science and Remote Sensing Unit, NASA Johnson Space Center, STS064-40-10, (http://eol.jsc.nasa.gov)

Tagebuch des Vulkanismus im Eis

Eruptionen der vergangenen 2000 Jahre auf der Südhalbkugel anhand von Eisbohrkernen rekonstruiert

06.07.2014/Kiel. Einem internationalen Forscherteam unter Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel ist die bisher präziseste Rekonstruktion großer vulkanischer Eruptionen auf der Südhalbkugel in den vergangenen 2000 Jahren gelungen. Diese Daten sind wichtig, um den Einfluss extremer Vulkanausbrüche auf das Klima genau zu bestimmen. Die Studie erscheint jetzt in der international renommierten Fachzeitschrift „Nature Climate Change“.

Als der philippinische Vulkan Pinatubo 1991 explodierte, waren die Auswirkungen bis Europa zu spüren. Denn die Eruption war so gewaltig, dass große Mengen an Schwefelverbindungen bis in die Stratosphäre (15-50 Kilometer Höhe) gelangten. Dort verteilten sie sich um den gesamten Erdball und schwächten für mehrere Jahre die Einstrahlung der Sonne ab, so dass die globalen Temperaturen vorübergehend sanken. Solche Vulkanausbrüche, bei denen große Mengen an Schwefelverbindungen in die Atmosphäre gelangen, sind in der Erdgeschichte recht häufig. Sie gehören zu den wichtigsten Ursachen von natürlichen Klimaschwankungen in der Vergangenheit. Daher ist eine genaue Kenntnis der Geschichte des Vulkanismus auf unserem Planeten wichtig, um die Klimaentwicklung zu verstehen und Klimamodelle zu eichen. Forschern aus den Vereinigten Staaten, Deutschland, Japan, Norwegen, Australien und Italien ist jetzt eine Rekonstruktion der vulkanischen Sulfat-Emissionen auf der Südhalbkugel für die vergangenen 2000 Jahre gelungen. Hauptautoren der Studie, die jetzt in der international renommierten Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ erscheint, sind Dr. Michael Sigl und Dr. Joe McConnell vom Desert Research Institute (DRI) in Nevada (USA). Einen weiteren wichtigen Beitrag lieferte der Atmosphären-Spezialist Dr. Matthew Toohey vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Mit ihrer jahrgenauen Auflösung stellt diese Studie eine deutliche Verbesserung aller bisherigen Rekonstruktionen dar“, betont Dr. Toohey.
 
Die Studie beruht auf der Auswertung von 25 genau datierten Eisbohrkernen, die an 19 verschiedenen Orten verteilt über das gesamte Gebiet der Antarktis entnommen worden waren. Denn die von Vulkanen ausgestoßenen Schwefel-Partikel sinken irgendwann wieder auf die Erdoberfläche. Ein Teil wird im Eis der Polarregionen eingeschlossen und kann auch nach Jahrtausenden noch analysiert werden. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf die einstige Aerosol-Belastung der Atmosphäre ziehen. In der aktuellen Studie konnten die Forscher in den Eisbohrkernen insgesamt 116 große vulkanische Ereignisse seit Beginn der Zeitrechnung identifizieren. „Für die Zeit bis zum Jahr 500 gab es bisher überhaupt keine derartige Rekonstruktion“, erklärt Erstautor Michael Sigl vom DRI, „die Vulkangeschichte zwischen 500 und 1500 konnten wir deutlich präzisieren.“

Parallel zur Auswertung der Eiskernproben hat Dr. Toohey vom GEOMAR den Transport der Schwefelverbindungen in einem gekoppelten Aerosol-Klimamodell simuliert. Die Ergebnisse hat die Forschergruppe dann mit den realen Messwerten aus den Eisbohrkernen verglichen, um genauere Informationen über die räumlichen Muster der Sulfatablagerungen in der Antarktis zu erhalten.
„Beobachtungen und Modellergebnisse zeigen beide, dass die Schwefelverbindungen der einzelnen Ausbrüche sich nicht gleichmäßig über die Antarktis verteilen“, betont Dr. Toohey. Das bedeutet, dass für eine genaue Rekonstruktion eine ausreichende Anzahl von Eisbohrkernen aus möglichst vielen verschiedenen Regionen der Antarktis betrachtet werden muss. „Das klingt einfach und plausibel, war bisher aber nicht gegeben, weil in der Vergangenheit nicht genug Eisbohrkerne zur Verfügung standen“, erklärt Dr. Toohey.

Dank der jetzt gewonnenen Daten konnten die beteiligten Wissenschaftler schon Vorstellungen über einige gewaltige historische Vulkanausbrüche korrigieren. Vor allem die beiden größten Vulkanausbrüche der vergangenen 2000 Jahre, die des Samalas (Indonesien) im Jahre 1257 und des Kuwae (Vanuatu) anno 1458, lagerten danach 30 bis 35 Prozent weniger Sulfat in der Antarktis ab als bisher angenommen. „Das deutet darauf hin, dass diese Ereignisse eine schwächere Kühlwirkung auf das globale Klima hatten, als bisher angenommen“, sagt Dr. Toohey. Solche Informationen sind entscheidend, um natürliche Klimaschwankungen besser zu verstehen, sie mit Hilfe von Modellen exakter zu rekonstruieren und letztendlich natürliche Klimaschwankungen von anthropogenen zu unterscheiden.

In Zukunft wollen die Wissenschaftler ihre Arbeit von der südlichen Hemisphäre auf die gesamte Erde ausdehnen und dafür auch Eisbohrkerne aus Grönland heranziehen. „Für uns Modellierer geht es außerdem darum, die Daten aus Eisbohrkernen präziser in Sulfatbelastungen der Atmosphäre umrechnen zu können. Dann können wir noch genauer den Einfluss jedes einzelnen Vulkanausbruchs auf das Klima nachvollziehen“, sagt Dr. Toohey.

Originalarbeit:
Sigl, M., J. R. McConnell, M. Toohey, M. Curran, S. B. Das, R. Edwards, E. Isaksson, K. Kawamura, S. Kipfstuhl, K. Krüger, L. Layman, O. J. Maselli, Y. Motizuki, H. Motoyama, D. R. Pasteris, M. Severi (2014): New insights from Antarctica on volcanic forcing during the Common Era'. Nature Climate Change, http://dx.doi.org/10.1038/nclimate2293

Ansprechpartner:
Jan Steffen (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2811, jsteffen(at)geomar.de 

Am 19. September 1994 brach auch der Vulkan Tavurvur in Papua-Neuguinea mit solcher Wucht aus, dass Asche und Gase bis zu 30 Kilometer hoch stiegen. Auf diesem Bild aus dem All ist deutlich zu erkennen, wie sich die Eruptionswolkein dieser Höhe global ausbreitet. Image courtesy of the Earth Science and Remote Sensing Unit, NASA Johnson Space Center,  STS064-40-10, (http://eol.jsc.nasa.gov)
Am 19. September 1994 brach auch der Vulkan Tavurvur in Papua-Neuguinea mit solcher Wucht aus, dass Asche und Gase bis zu 30 Kilometer hoch stiegen. Auf diesem Bild aus dem All ist deutlich zu erkennen, wie sich die Eruptionswolkein dieser Höhe global ausbreitet. Image courtesy of the Earth Science and Remote Sensing Unit, NASA Johnson Space Center, STS064-40-10, (http://eol.jsc.nasa.gov)