Der Ozean nimmt 90 Prozent der zusäzlichen Wärmeenergie aus der Atmosphäre auf. Eine neue Berechnung zeigt, dass die Menge der Wärmeenergie in den vergangenen 25 Jahren größer war als bisher weitgehend angenommen. Foto: Jan Steffen/GEOMAR (CC BY 4.0)

Der Ozean nimmt mehr Wärme auf als vermutet

Neue Untersuchungsmethode bestätigt bisher berechnete Maximalwerte

01.11.2018/Kiel. Die Ozeane nehmen 90 Prozent der zusätzlichen Wärmeenergie auf, die aufgrund steigender Treibhauskonzentrationen in der Atmosphäre entsteht. Forscherinnen und Forscher der University of California, San Diego, der Princeton University, des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel sowie Kollegen aus Frankreich und China haben jetzt mit einer neuen Methode die bisherigen Berechnungen der Wärme-Aufnahme im Ozean überprüft. Wie sie heute in der internationalen Fachzeitschrift Nature veröffentlichen, haben die Meere in den vergangenen 25 Jahren demnach sogar deutlich mehr Wärme aufgenommen, als bisher berechnete Durchschnittswerte vermuten ließen.

Der Ozean wirkt im Klimasystem der Erde wie ein gewaltiger Puffer. Er nimmt Gase, aber auch Wärmeenergie aus der Atmosphäre auf, verteilt sie in seinen Tiefen und verlangsamt so Veränderungen des Gesamtsystems Erde. Die Menge der vom Ozean absorbierten Energie ist daher auch ein Hinweis auf die insgesamt vom Planeten Erde aufgenommene Wärme.

Mit einer ganz neuen Methode haben Forscherinnen und Forscher der Scripps Institution of Oceanography, University of California, San Diego (USA), der Princeton University (Massachusetts, USA) und des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zusammen mit Kollegen aus Frankreich und China die bisherigen Berechnungen der Wärme-Aufnahme des Ozeans überprüft. „Dabei zeigte sich, dass die Erwärmung offensichtlich am oberen Ende dessen liegt, was ältere Abschätzungen vermuten ließen“, sagt Prof. Dr. Andreas Oschlies vom GEOMAR, einer der Ko-Autoren der Studie. Sie erscheint heute in der internationalen Fachzeitschrift Nature.

Um den Gesamtwärmegehalt der Ozeane zu berechnen, nutzte die Forschung bislang Millionen von Messungen der Wassertemperatur. Viele der Daten stammen von autonomen Mess-Sonden, sogenannten Argo-Floats. Mehrere tausend davon treiben mit den Strömungen durch die Meere und messen dabei Temperatur und Salzgehalt des Wassers. „Das Argo-Programm hat aber erst 2007 eine wirklich globale Abdeckung erreicht. Außerdem decken die Floats nur das obere Viertel des Ozeans ab“ erklärt Professor Oschlies.

Für die neue Studie verwendeten Erstautorin Professorin Laure Resplandy von der Princeton University und die anderen Beteiligten nun keine Messungen im Ozean, sondern erstmals hochpräzise Messungen von Sauerstoff und Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre. Stationen rund um den Globus führen diese schon seit einigen Jahrzehnten durch.

Das Verfahren beruht auf der Tatsache, dass Sauerstoff und Kohlendioxid in wärmerem Wasser weniger löslich sind. Während sich der Ozean erwärmt, werden die Gase an die Atmosphäre abgegeben. „Wenn man andere Einflüsse, wie die Zunahme des CO2-Gehalts aufgrund anthropogener Emissionen, aber auch das erhöhte Algenwachstum durch verstärkten Eintrag von Dünger in den Ozean herausrechnet, ist die kombinierte Menge an Sauerstoff und Kohlendioxid in der Luft ein guter Indikator für die im Ozean gespeicherte Menge Wärme“, erklärt Professor Oschlies.

Getestet wurde die Methode zunächst anhand von Simulationen mit vier verschiedenen Erdsystemmodellen. In ihnen stimmte die aus atmosphärischen Sauerstoff- und CO2-Konzentrationen berechnete Wärmeaufnahme mit der vom Computermodell simulierten Erwärmung des Ozeans sehr gut überein. Eines der Modelle wird in der Forschungseinheit „Biogeochemische Modellierung“ am GEOMAR betrieben. „Im Rahmen der Arbeit des Sonderforschungsbereichs 754 zu Sauerstoffminimumzonen in den tropischen Ozeanen haben wir unser Modell über die vergangenen zehn Jahre besonders gut für die Simulation der Sauerstoffverteilung im Ozean geeicht“, erklärt Dr. Wolfgang Koeve vom GEOMAR, ebenfalls Ko-Autor der Nature-Studie. Die Modelle bestätigten die Berechnungen mit der neuen Methode.

Die neue Berechnung der Wärmeaufnahme des Ozeans liege mehr als 60 Prozent über dem Wert des jüngsten Berichts des Weltklimarates IPCC und damit am obersten Ende aller bisher erfolgten Abschätzungen, erklärt Erstautorin Laure Resplandy (ergänzt am 15.11.2018: siehe dazu die Erläuterug unten). Eine so starke Erwärmung des Ozeans deute darauf hin, dass die Erde empfindlicher auf Emissionen von fossilen Brennstoffen reagiere als bisher angenommen, ergänzt Professor Oschlies.

„Dieses Ergebnis zeigt leider auch, dass wir die Emissionen von CO2 noch schneller und in noch erheblicherem Umfang als im Bericht des Weltklimarats gefordert reduzieren müssen, wenn wir die globale Erwärmung auf 2 oder sogar 1,5 Grad Celsius beschränken und damit die versprochenen Klimaziele einhalten wollen“ fasst der Kieler Forscher zusammen.

Originalarbeit:
Resplandy, L., R. F. Keeling, Y. Eddebbar, M. K. Brooks, R. Wang, L. Bopp, M. C. Long, J. P. Dunne, W. Koeve & A. Oschlies (2018): Quantification of ocean heat uptake from changes in atmospheric O2 and CO2 composition. Nature 563, 105–108 (2018), https://doi.org/10.1038/s41586-018-0651-8

 

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Der Ozean nimmt 90 Prozent der zusäzlichen Wärmeenergie aus der Atmosphäre auf. Eine neue Berechnung zeigt, dass die Menge der Wärmeenergie in den vergangenen 25 Jahren größer war als bisher weitgehend angenommen. Foto: Jan Steffen/GEOMAR (CC BY 4.0)

 

Ergänzung vom 15.11.2018:

Wissenschaft besteht aus Diskussion und dem Hinterfragen früherer Ergebnisse. Im Fall der am 01.11.2018 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Studie Resplandy et. al. (2018) haben Fachkollegen die Autorinnen und Autoren auf Probleme in ihrer Berechnung zur Wärme-Aufnahme im Ozean aufmerksam gemacht. Diese Kritik stellt nicht die Methodik oder die neuen Erkenntnisse der Ozeanbiogeochemie, auf denen sie basieren, infrage. Sie beeinflussen aber die mittlere Erwärmungsrate, die die Autoren ableiten, und vor allem die Unsicherheiten dieser Berechnung.

Die Kernergebnisse sind unverändert, d.h. die Wärmeaufnahme des Ozeans liegt am oberen Rand bisheriger Abschätzungen und deutlich höher als im jüngsten IPCC-Bericht angegeben. Allerdings führt eine Korrektur der Fehlerrechnung zu dem Ergebnis, dass sie im Mittel nicht mehr 60 Prozent höher liegt als im IPCC-Report, sondern nur noch 50 Prozent. Das wesentliche Ergebnis der Korrektur ist der deutlich größere (Faktor 3) Fehlerbalken.

Speziell der Beitrag der Kieler Meeresforschung zu diesem Paper, die Überprüfung der neuen Methode anhand von Modellrechnungen, bleibt davon unberührt. Diese neue Methode, mit der ohne eine einzige Messung im Wasser die globale Wärmeaufnahme des Ozeans genau abgeschätzt werden kann, wurde nicht kritisiert.

Ein formales Corrigendum haben die Autorinnen und Autoren am 14.11.2018 bei Nature eingereicht.

Eine ausführliche Beschreibung der Kritik und der Korrekturen finden Sie hier: www.realclimate.org/index.php/archives/2018/11/resplandy-et-al-correction-and-response/

 

Kontakt:
Jan Steffen (GEOMAR, Kommunikation & Medien), Tel.: 0431 600-2811, presse(at)geomar.de 

Der Ozean nimmt 90 Prozent der zusäzlichen Wärmeenergie aus der Atmosphäre auf. Eine neue Berechnung zeigt, dass die Menge der Wärmeenergie in den vergangenen 25 Jahren größer war als bisher weitgehend angenommen. Foto: Jan Steffen/GEOMAR (CC BY 4.0)
Der Ozean nimmt 90 Prozent der zusäzlichen Wärmeenergie aus der Atmosphäre auf. Eine neue Berechnung zeigt, dass die Menge der Wärmeenergie in den vergangenen 25 Jahren größer war als bisher weitgehend angenommen. Foto: Jan Steffen/GEOMAR (CC BY 4.0)