Die Ostsee atmet tief durch
Poseidon-Expedition ins Gotlandbecken zeigt Folgen des Salzwassereinstroms
Die Sauerstoffversorgung der Ostsee ist schlecht. Bedingt durch ihre Topographie mit nur wenigen, sehr flachen Verbindungen zur Nordsee, ist insbesondere in tieferen Bereichen der Ostsee die Versorgung mit sauerstoffreichen Wasser oft sehr schlecht. Hinzu kommen hohe Nährstoffeinträge aus den Anrainerstaaten. Dies führt in vielen tieferen Bereichen zu sauerstoffarmen bis zu völlig anoxischen Bedingungen, mit dramatischen Auswirkungen auf die am Boden lebenden, benthischen Lebensgemeinschaften.
Ende 2014 fand bedingt durch günstige meteorologische Bedingungen, ein sehr großes Einstromereignis statt, bei dem fast 200 km3 salzhaltiges, sauerstoffreiches Wasser aus dem Kattegat in die Ostsee strömte. Dies stellt das seit den 50er Jahren drittgrößte Ereignis dar (Mohrholz et al. 2015). Dadurch bietet sich bietet eine einzigartige Gelegenheit, unser biogeochemisches Verständnis von anoxischen Systemen zu erweitern, die auch global von großer Bedeutung sind.
„Der ökologische Zustand des Gotlandbeckens hängt sehr stark von der zeitweiligen Tiefenwassererneuerung durch den Einstrom von salzhaltigem und sauerstoffreichem Wasser ab, wobei diese Einstromereignisse die einzige Möglichkeit darstellen das tiefe Gotlandbecken zu belüften. In den letzten Jahren ereigneten sich solche Einstromereignisse zunehmend seltener, so dass anoxische und sulfidische Bedingungen im tieferen Gotlandbecken vorherrschten“, berichtet Fahrtleiter Dr. Stefan Sommer vom GEOMAR.
Während der vierwöchigen Reise mit dem Kieler Forschungsschiff POSEIDON wurde der Stoffaustausch des Meeresbodens mit der Wassersäule mittels sogenannter benthischer Lander erfasst. Videobeobachtungen mit einem geschleppten Kamerasystem dienten zur Erfassung von epibentischen Lebensgemeinschaften, z. B. von sulfid-oxidierenden, filamentösen Bakterien der Gattung Beggiatoa. Unter sauerstoffarmen Bedingungen und dem Vorhandensein von Schwefelwasserstoff im Porenwasser besiedeln diese Organismen die Oberfläche der Sedimente weitläufig als weißliche Matten. Sie sind in der Lage den hochgiftigen Schwefelwasserstoff zu „entgiften“ und haben somit eine wichtige Funktion im Ökosystem. Zusätzlich wurden Nährstoffe in der Wassersäule gemessen. Das Messprogramm wurde mit der Bergung zweier Langzeitobservatorien abgeschlossen, die über einen Zeitraum von fast einem Jahr kontinuierlich Strömung, physikalische Parameter sowie Sauerstoff im Bodenwasser gemessen haben.
„Die Messungen waren trotz anfänglich schlechter Wetterbedingungen sehr erfolgreich und es konnte ein umfangreicher Datensatz erstellt werden“, freut sich Dr. Sommer. „Besonders gespannt sind wir auf die Analyse der Messungen, die im gegenwärtig sauerstoffreichem tieferem Gotlandbecken durchgeführt wurden“, so Sommer weiter.
Erste Ergebnisse der zwei Langzeitobservatorien zeigten eine ausgeprägte Schwankungen des Sauerstoffgehalts bei 125 und 90 m Wassertiefe. „Dies hat besondere Auswirkungen auf unser bisheriges quantitatives Verständnis der Nährstofffreisetzung, wobei die bisherigen Abschätzungen für diese Region korrigiert werden müssen“, erläutert Dr. Sommer abschließend.
Referenz:
Mohrholz, V., Naumann, M., Nausch, G., Gräwe, U., 2015 Fresh oxygen for the Baltic Sea – An exceptional saline inflow after a decade of stagnation. J. Marine Systems, 148, 152-166.
Kontakt:
Dr. Andreas Villwock, Kommunikation und Medien, Tel.: 0431 600-2802, presse(at)geomar.de