Forschung für eine klimaresiliente und gerechte Zukunft für alle
Kommentare von GEOMAR-Forschenden zum Synthesebericht des Weltklimarats
Die internationale Gemeinschaft verfügt schon jetzt über Handlungsoptionen, um den Klimawandel zu bekämpfen und Anpassung an unvermeidbare Veränderungen zu ermöglichen, um unser Wohlergehen und die Gesundheit des Planeten für künftige Generationen auf der ganzen Welt zu sichern: Mit seinem Synthesebericht, der die wichtigsten Erkenntnisse des aktuellen sechsten Berichtszyklus zusammenführt, sendet der Weltklimarat (Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen, Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) eine klare und positive Botschaft. Tatsächlich ist es das letzte Signal, das der IPCC in einer Zeit aussendet, an dem eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5° Celsius wie von Regierungen im Übereinkommen von Paris beschlossen noch möglich wäre.
Reaktionen von Forschenden des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel:
GEOMAR-Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes:
Die durchschnittliche globale Erwärmung hat bereits 1,1° Celsius erreicht. Folgen des Klimawandels wie der Verlust von Artenvielfalt und extreme Wetterereignisse wie Hitze, Dürre, Starkniederschläge, Stürme und Überschwemmungen beeinträchtigen Menschen und ihre Lebensgrundlagen schon jetzt auf der ganzen Welt. Diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, sind dabei am stärksten betroffen. Angesichts dieser Tatsachen wird deutlich, dass es globaler Anstrengungen bedarf, um den Klimawandel zu bekämpfen. Der neue IPCC-Bericht, der in Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik erstellt und im Konsens von Regierungsvertretern verabschiedet wurde, bietet dafür eine hervorragende Grundlage.
Das GEOMAR trägt dazu bei, wichtige Fragen für die Umsetzung zu beantworten – von Wissen zu Veränderungen der Rolle des Ozeans im Klimasystem, der Artenvielfalt und biogeochemischen Kreisläufen bis hin zu Möglichkeiten, den Ozean im Zuge einer nachhaltigen Nutzung zu unserem Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel zu machen. Internationale Zusammenarbeit auch über die Naturwissenschaften hinaus ist dabei ein wichtiger Antrieb, ergänzt durch unser Engagement für eine klimagerechte Zukunft für alle im Rahmen der Dekade der Meeresforschung für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.
Professor Dr. Mojib Latif, Meteorologe:
Selbst in Szenarien, die von sehr niedrigen Emissionen ausgehen, ist es sehr wahrscheinlich, dass wir in naher Zukunft eine durchschnittliche globale Erwärmung von 1,5° erreichen – allerdings mit starken regionalen Unterschieden. Darüber hinaus sehen wir große Lücken zwischen den Treibhausgas-Emissionen in Szenarien, die die Erwärmung auf 1,5° oder 2° Celsius begrenzen würden, den im Rahmen der Nationalen Klimabeiträge (National Determined Contributions, NDCs) gemachten Zusagen der Länder und ihren bisher umgesetzten Maßnahmen.
Wir haben keine andere Wahl, als hier besser zu werden. Denn jedes bisschen Erwärmung wirkt sich auf unser Klimasystem aus, verstärkt Hitzewellen, Dürren und Starkniederschläge, saisonale Verschiebungen von Wettermustern, den Anstieg des Meeresspiegels und viele andere Auswirkungen des Klimawandels. Es gibt nur eine Möglichkeit, diese Beschleunigung zu stoppen: Wir müssen unsere Emissionen sofort und drastisch senken.
Professor Dr. Thorsten Reusch, Meeresbiologe
Von den tropischen Korallenriffen bis zu den Polarregionen verlieren wir marine Biodiversität in einem noch nie dagewesenen Ausmaß. Einzelne Arten erreichen oft die Grenzen ihrer Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel. Neben vielen anderen Aspekten wirkt sich dies unter anderem auch auf unsere Ernährungssicherheit aus, da Erträge aus Fischerei und Aquakultur auch als Folge des Klimawandels zurückgehen.
Doch wir können die biologische Vielfalt erhalten, schützen und wiederherstellen, um unser natürliches Lebenserhaltungssystem zu bewahren. So zeigen Best-Practice-Beispiele und effektive Bewirtschaftungsmaßnahmen, dass dezimierte Fischbestände schnell wieder aufgebaut werden können. Die aktive Wiederherstellung von Lebensräumen – für die Ostsee wären dies unsere Seegras- und Algenwiesen – kann die Kohlenstoffaufnahme verbessern und zusätzliche Vorteile für die Biodiversität mit sich bringen. Zudem breiten sich wasser- und vektorübertragene Krankheiten aus und bedürfen unserer Aufmerksamkeit – ein Aspekt, dem sich Kieler Meeresforschende zunehmend widmen.
Professor Dr. Andreas Oschlies, Erdsystemmodellierer
Die IPCC-Szenarien zeigen, dass naturbasierte Lösungsansätze viele Vorteile haben, zum Beispiel für die biologische Vielfalt, das Funktionieren von Ökosystemen und lokale Lebensgrundlagen. Aber diese Lösungen reichen bei Weitem nicht aus, um die globale Erwärmung auf 1,5° oder 2° Celsius zu begrenzen. Daher sind wir neben einer drastischen Verringerung der Emissionen von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen und einem raschen Übergang zu erneuerbaren Energiequellen auch auf technische Möglichkeiten angewiesen, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen und sicher zu speichern. Je länger es dauert, unsere Emissionen deutlich zu reduzieren, desto herausfordernder wird es sein, solche Techniken in ausreichendem Umfang zu etablieren.
Die im Rahmen der Mission „Marine Carbon Sinks in Decarbonisation Pathways“ (CDRmare) der Deutschen Meeresforschungsallianz (DAM) durchgeführten Forschungsarbeiten bewerten Optionen für die Entfernung von Kohlendioxid, um gesellschaftliche Entscheidungen zu treffen und die Entwicklung geeigneter Steuerungssysteme zu unterstützen.
Professor Dr. Martin Visbeck, Physikalischer Ozeanograph
Beim Übergang zu einer nachhaltigeren Welt stehen uns große Veränderungen bevor – und noch immer sind wichtige Fragen unbeantwortet. Die GEOMAR-Forschung befasst sich mit Schlüsselaspekten von grundlegenden Klimaprozessen bis hin zu Lösungsmöglichkeiten. Wir suchen auch nach neuen Ansätzen für die Entscheidungsfindung: Digitale Zwillinge des Ozeans – virtuelle Darstellungen, die auf gemeinsamen Daten, Modellen und Wissen beruhen – helfen uns dabei, Entwicklungsoptionen für eine optimale Anpassung an den Klimawandel und andere Veränderungen im Ozean zu erkunden. Solche Simulationen und Visualisierungen werden in engem Dialog mit Nutzer:innen von Ozeaninformationen auf der ganzen Welt entwickelt, so dass ihre Herausforderungen von Anfang an einbezogen werden können. Mit unserer Arbeit leisten wir auch einen Beitrag zum Programm "Digital Twins of the Ocean" (DITTO) der Ozeandekade der Vereinten Nationen.