Der Agulhas-Einstrom (engl: Agulhas leakage) als Teil der großskaligen Ozeanzirkulation: Momentanaufnahme der oberflächennahen Strömungsgeschwindigkeiten aus einem Ozeanmodell. Grafik: Siren Rühs/GEOMAR in nature communications earth & environment, http://creativecommons.org/licenses/by/4.0, beschnitten

Der Agulhas-Einstrom südlich von Afrika birgt neue Überraschungen

Neue GEOMAR-Studie untersucht dekadische Schwankungen des Agulhas-Einstroms und deren Einfluss auf das Golfstromsystem

19.12.2022/Kiel. An der Südspitze Afrikas entweicht warmes und und salzhaltiges Wasser aus dem Indischen Ozean in den Südatlantik. Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass sich dieser Agulhas-Einstrom im Zuge des menschengemachten Klimawandels verstärkt und der prognostizierten Abschwächung der atlantischen Umwälzzirkulation entgegenwirken könnte. Jedoch wird der Einfluss des Klimawandels auf den Agulhas-Einstrom durch dekadische Schwankungen überlagert und dadurch maskiert. Zu diesem Ergebnis kommt eine kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications Earth & Environment erschienene Studie unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel.

Der Agulhasstrom transportiert warmes und salziges Wasser aus dem Indischen Ozean entlang der Ostküste Afrikas nach Süden und bildet an der Südspitze Afrikas einen Strömungsbogen. Aus diesem entweicht ein Teil der Strömung – unter anderem in Form von ozeanischen Wirbeln – in den Südatlantik und bildet den sogenannten Agulhas-Einstrom. Dieser wirkt durch seine Eigenschaften auf die Meereszirkulation und das globale Klima ein, wird aber auch selbst durch die zunehmende Erderwärmung beeinflusst. Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass durch den Klimawandel bedingte Verstärkung der Westwinde auf der Südhalbkugel der Agulhas-Einstrom zunimmt und dadurch ein verstärkter Salztransport in den Südatlantik stattfindet. Dieser Vorgang könnte der prognostizierten Abschwächung der Atlantischen Umwälzzirkulation (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC) – auch Golfstromsystem genannt – aufgrund von Erwärmung und Abschmelzen des grönländischen Eisschildes entgegenwirken.
 
Durch den menschengemachten Klimawandel verursachte Änderungen im Agulhas-Einstrom sind bisher jedoch nur schwer messbar und werden durch natürliche dekadische Schwankungen überlagert. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler:innen aus der Forschungseinheit Ozeandynamik am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel in einer neuen Studie im Fachjournal Nature Communications Earth & Environment. Einige der Autor:innen forschen inzwischen an der Universität Utrecht (Niederlande), der Universität New South Wales (Australien) und der Universität Brest (Frankreich).
 
„Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass Strömungsänderungen in der Südhemisphäre bereits dekadische Schwankungen in der gesamten atlantischen Umwälzbewegung beeinflusst haben“, sagt Dr. Siren Rühs, Erstautorin und zum Zeitpunkt der Studie physikalische Ozeanographin am GEOMAR. „Die endgültige Rolle, die der Agulhas-Einstrom im Klimawandel spielen wird, bleibt allerdings noch zu klären“, ergänzt Professor Dr. Arne Biastoch, Leiter der Forschungseinheit Ozeandynamik am GEOMAR und Co-Autor der Studie.
 
In ihrer Studie kombinierten die Forschenden Modellsimulation und Beobachtungsdaten, um sowohl mit etablierten als auch mit neu entwickelten Methoden die zeitliche Entwicklung des Agulhas-Einstroms seit den 1960er-Jahren zu rekonstruieren. Diese Rekonstruktionen ergeben, dass der Agulhas-Einstrom zwischen Mitte der 1960er und 1980er im Einklang mit stärker werdenden Westwinden sehr wahrscheinlich zugenommen hat. Im Gegensatz zu bisherigen Annahmen erscheint es jedoch unwahrscheinlich, dass der Agulhas-Einstrom trotz stetig stärker werdender Westwinde seit den 1990er Jahren weiter zugenommen hat. Die Modellsimulationen legen weiter nahe, dass diese Zunahme des Agulhas-Einstroms mit einer Verstärkung der atlantischen Umwälzzirkulation einherging, die sich von dem Südatlantik in den Nordatlantik ausbreitete. Das klare Signal ist überraschend, da diese Schwankungen in der Umwälzzirkulation bisher hauptsächlich auf Zirkulationsänderungen im Nordatlantik zurückgeführt wurden. Laut den Forschenden sind weitere Studien nötig, um die natürlichen Schwankungen des Agulhas-Einstroms besser zu verstehen und durch den Menschen erzeugte Änderungen verlässlich erkennen und vorhersagen zu können.
 
 
Originalarbeit:
Rühs, S., Schmidt, C., Schubert, R., Schulzki, T. G., Schwarzkopf, F. U., Le Bars, D., Biastoch, A., (2022): Robust estimates for the decadal evolution of Agulhas leakage from the 1960s to the 2010s. Doi: https://doi.org/10.1038/s43247-022-00643-y

Förderung:
Diese Studie wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des SPACES-II CASISAC-Projekts und von den Forschungs- und Innovationsprogrammen Horizon 2020 der Europäischen Union (iAtlantic) gefördert. Darüber hinaus erhielt sie Mittel aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft im Rahmen des Projekts "Advanced Earth System Modelling Capacity (ESM)". Weiterer Dank gilt der Finanzierung durch das Projekt DEEPER der französischen Nationalen Agentur für Forschung (French National Agency for Research, ANR).

 

Der Agulhas-Einstrom
Der Agulhas-Einstrom (engl: Agulhas leakage) als Teil der großskaligen Ozeanzirkulation: Momentanaufnahme der oberflächennahen Strömungsgeschwindigkeiten aus einem Ozeanmodell. Grafik: Siren Rühs/GEOMAR in nature communications earth & environment, http://creativecommons.org/licenses/by/4.0, beschnitten