Digitaler Ozean-Zwilling

Ein Integrierender Forschungs-Fokus (IRF) des GEOMAR

Digitale Zwillinge werden Sensordaten und Simulationen in interaktiven 4D-Visualisierungen bündeln und zugänglich machen, um "Was-wäre-wenn"-Szenarien zu untersuchen.

Was sind Digitale Zwillinge?

Digitale Zwillinge sind eine Methode um komplexe Systeme zu untersuchen. Diese Methode wurde für die Ingenieurwissenschaft entwickelt und wird zunehmend für die Erdsystemforschung weiterentwickelt.

Ein Digitaler Zwilling besteht dabei aus einer virtuellen Entität (Simulationen des Ozeans) die eine physische Entität (den realen Ozean) repräsentiert. Diese beiden Entitäten sind miteinander durch Informationsaustausch verknüpft, sodass sie sich gegenseitig beeinflussen können. Die Verknüpfung bestehen aus einer Beobachtung der virtuellen oder physischen Entität und einer Umsetzung des Beobachtungsergebnisses zur Veränderung der jeweils anderen Entität. Beide – die virtuelle und physische Entität existieren nicht losgelöst, sondern innerhalb einer virtuellen bzw. physischen Umgebung und werden durch Einflüsse dieser Umgebungen geprägt.

Was sind Digitale Zwillinge des Ozeans?

Die virtuelle Entität eines Digitalen Zwillings der Ozeans ist üblicherweise ein Modell (z. B. physik-basiert, KI-basiert), das in einem virtuellen Prozess ausgeführt werden kann, um Simulationen durchzuführen. Es wird in einer virtuellen Umgebung ausgeführt, die aus Recheninfrastruktur (z. B. High-Performance Computing) und Datenquellen (z. B. Data Lakes wie PANGAEA) und Schnittstellen besteht. Die physische Entität ist der Ozean oder ein Teilprozess des Ozeans, den das Modell simuliert. Die physisch-virtuelle Verknüpfung eines Digitalen Zwillings des Ozeans basiert meist auf Meeresbeobachtungen, die reale - aber potenziell fehleranfällige - Daten mit Hilfe von Sensoren (z.B. von Forschungsreisen, Fernerkundung, kabelgebundenen Observatorien, Citizen science) liefern. Je nach Art des Digitalen Zwillings kann die virtuelle Realisierung dieser Verknüpfung dann das Management der digitalen Daten sein, aber vor allem die Beeinflussung des Modells selbst (z. B. Modelloptimierung, Process Mining) oder die Beeinflussung des Simulationsprozesses (z. B. Parameteroptimierung, Objektverfolgung). Jede dieser Realisierungen kann manuell oder automatisch durchgeführt werden. Manuelle Beobachtungen in der virtuellen Einheit stützen sich üblicherweise auf den virtuellen Prozess der interaktiven Visualisierung (z. B. Datenplots, Geo-Informationssysteme, virtuelle/künstliche Realität), während automatisierte Beobachtungen virtuelle Prozesse erfordern können (z. B. Data Mining, APIs). Der Schritt der physischen Umsetzung der virtuell-physischen Verbindung von Ocean Digital Twins kann durch menschliches Eingreifen ermöglicht werden (z. B. Fischereimanagement, Entwicklung von Probenahmestrategien, Ocean Governance, Einbeziehung von Interessengruppen, Ausweisung von Schutzgebieten, Planung von Kreuzfahrten).

Wofür braucht das GEOMAR Digitale Zwillinge?

Wir sehen Digitale Zwillinge als ein Mittel, um "digitale Werkzeuge zu nutzen und mit ihnen, die Art und Weise, wie wir Wissenschaft betreiben, zu verändern", d.h. sie sind eine digitale Form der Forschungskultur, um Disziplinen zu überbrücken und verschiedene Informationsquellen (Modelle, Beobachtungsdaten, Echtzeitdaten, Offline-Daten, Hypothesen) zu kombinieren. Digitale Zwillinge sind einewissenschaftlichen Methode, und als solche müssen sie dem Anspruch genügen, Erkenntnisse in einem bestimmten wissenschaftlichen Bereich zu gewinnen. Sie müssen im Vergleich zu bestehenden Methoden effizienter und zuverlässiger sein oder idealerweise die einzige Möglichkeit darstellen, eine Frage überhaupt zu untersuchen. Daher ist es wichtig, Digitale Zwillinge aus der Perspektive des gewünschten Ergebnisses zu konzipieren, das idealerweise quantitativ, objektiv und wiederholbar sein sollte: d.h. die Verwendung eines digitalen Zwillings muss zu einem konkreten Produkt führen.

Das Digital Twin IRF-Team ist davon überzeugt, dass:

  • Digitale Zwillinge die Forschungsmöglichkeiten erweitern werden und so den Forschungsoutput steigern, sowie die Sichtbarkeit der Exzellenz des GEOMAR Teams erhöhen können.
  • Digitale Zwillinge vom digitalen Wandel abhängen, aber insbesondere als Katalysator für diesen wirken können.

Welchen Digitalen Zwilling des Ozeans entwickelt der IRF?

Für uns gibt es nicht den einen Digitalen Zwilling des Ozeans, der alles aktuelle Wissen umfasst. Wir sehen "Digital-Twinning" als ein Werkzeug, das auf bestimmte Maßstäbe zugeschnitten sein muss. Als Teil des IRF-Teams haben wir zunächst vier Skalen und mehrere Anwendungsfälle für jede dieser Skalen ermittelt:

  • Globaler Maßstab (>103 km2): z. B. ein digitaler Zwilling für die lobale Meeresströmung
  • Regionale Skala (101 - 103 km2): z.B. ein Digitaler Zwilling für die Cabo Verde Region, ein Digitaler Zwilling für die Ostsee
  • Lokale Skala (10 m2- 101 km2): z. B. Areale mit Munitionsverklappung, einzelne Seeberge
  • Mikroskala (<10 m2): z.B. Mikrobiologie, Symbionten, Mikrohabitate