FUTURO – Die Zukunft der Auftriebsgebiete im tropischen Atlantischen Ozean

Eine ganzjährige multiskalige Forschungskampagne zur künftigen Entwicklung des küstennahen Auftriebssystems vor Westafrika

  • Wie werden sich die Küstenauftriebsgebiete in Zukunft verändern?
  • Wie wirken sich diese Änderungen auf Klima und Menschheit aus?
  • Welche Art und Intensität der Nutzung in Auftriebsgebieten ist längerfristig möglich?
  • Wie kann internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit zur Entwicklung eines gerechten Managementsystems für Küstenauftriebsgebiete beitragen?

 

Die Bedeutung der küstennahen Auftriebssysteme (EBUS)

Die großen Küstenauftriebsgebiete an den östlichen Rändern des Atlantiks und Pazifiks gehören zu den biologisch produktivsten und artenreichsten Regionen des Weltozeans und sind daher von höchster ökologischer und sozioökonomischer Bedeutung. Sie sind ein integraler Bestandteil des Klimas und unterliegen starken anthropogenen Einflüssen.

In Auftriebsgebieten treffen Ozeanerwärmung, Ozeanversauerung und Sauerstoffmangel zusammen und können zu möglichen synergistischen Effekten führen, welche sich negativ auf die Funktion der Ökosysteme auswirken können. Der hohe Fischereidruck in Verbindung mit einem oft wenig effizienten Fischereimanagement, nicht nachhaltigen ökonomischen Anreizen und der landbasierten Verschmutzung kann die Situation noch weiter verschlechtern. Wir haben Grund zu der Annahme, dass die Funktionalität der küstennahen Auftriebsgebiete auf die genannten Faktoren besonders empfindlich reagiert, wofür zuverlässige Zukunftsszenarien fehlen. Es sind daher erhebliche Veränderungen der für die Menschheit äußerst wichtigen Ökosystemdienstleistungen zu erwarten.

Das pelagische System der großen Küstenauftriebssysteme ist durch eine Vielzahl dynamischer Prozesse und eine komplexe Kopplung von physikalischen, chemischen und biologischen Faktoren gekennzeichnet. Eine gründliche und systemweite Beschreibung fehlt bisher, ist aber für die Entwicklung zuverlässiger Szenarien und Vorhersagen künftiger Veränderungen absolut notwendig. Eine solche gründliche "Beschreibung" kann angesichts der Komplexität des Ökosystems, der externen und internen Wechselwirkungen und Rückkopplungen sowie des breiten Spektrums relevanter räumlicher und zeitlicher Skalen nur durch eine multidisziplinäre Herangehensweise erreicht werden, die einen innovativen und ganzheitlichen Forschungsansatz erfordert. Mit ihren fortschrittlichen Instrumenten verfügt die internationale Meeresforschungsgemeinschaft über alle Voraussetzungen, diese in vielerlei Hinsicht äußerst wichtigen Zukunftsfragen erfolgreich anzugehen.

 

FUTURO – ein einjähriges multiskaliges Experiment im Küstenauftriebssystem vor Westafrika

Eine adäquate wissenschaftliche Beschreibung von Küstenauftriebssystemen erfordert einen methodischen Ansatz, der der Komplexität der externen und internen Kopplungen und den Skalen der raumzeitlichen Variabilität des physikalisch-chemisch-biologisch-geologischen Systems gerecht wird und gleichzeitig den sozialwissenschaftlichen Kontext ganzheitlich einbezieht.

Als ein wichtiger Schritt in diese Richtung wird die einjährige, groß angelegte Beobachtungskampagne FUTURO vorgeschlagen, die für den Zeitraum 2027-2029 geplant ist. Es wird erwartet, dass ein oder mehrere Forschungsschiffe während der gesamten Kampagne in der erweiterten westafrikanischen Küstenauftriebsregion operieren und eine Reihe koordinierter und konzertierter multidisziplinärer Messungen und Experimente durchführen, die durch eine große Zahl autonomer und freiwilliger Beobachtungsinstrumente und regionaler Forschungskapazitäten ergänzt werden.

Die Kombination von innovativen experimentellen Ansätzen und Fernerkundung sowie Modellierung in Echtzeit wird einen noch nie dagewesenen Datensatz mit neuen Erkenntnissen liefern. Der wissenschaftliche Anspruch und der Austausch von neuem Wissen mit regionalen Partnern wird gemeinsam mit Experten*innen aus der westafrikanischen Region entwickelt. Mehrere Arbeitsgruppen wurden eingerichtet, um den Umfang von FUTURO zu formulieren. Die sozio-anthropologische Perspektive wird ein integraler Bestandteil jeder dieser thematischen Gruppen sein.

 

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    • JAHRESZEITLICHE VARIABILITÄT: Wodurch wird der Zeitpunkt des Auftriebs bestimmt, und was geschieht in den Phasen ohne Auftrieb und in den Übergangsphasen?
    • AUSTAUSCHPROZESSE: Welche physikalischen Prozesse treiben die Nährstoffflüsse in der Wassersäule, über die Grenzen Ozean-Atmosphäre und Sediment-Ozean sowie zwischen küstennahem und offenem Meer an?
    • PHYSIKALISCH-BIOLOGISCHE KOPPLUNG: Welche gekoppelten physikalisch-biologischen Prozesse sind für den Nährstoff- und Kohlenstoffhaushalt, die Produktivität und die Ökosystemdynamik von Bedeutung?
    • KLIMA: Welches sind die physikalischen Mechanismen der durch den Auftrieb verursachten Wechselwirkung zwischen Ozean und Atmosphäre und der Rückkopplung, die die Küstenauftriebsgebiete mit großräumigen Klimaschwankungen verbindet?
    • ZUKUNFT: Wie verändert sich der physikalische Antrieb des Auftriebs sowie die physikalisch-biologische Kopplung bei globaler Erwärmung, und welche Prozesse sind davon betroffen?

     

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    • SAISONALE UND RÄUMLICHE MUSTER: Wie variieren biogeochemische Prozesse und ihre potenziellen Antriebsfaktoren (z. B. Zufuhr von Nährstoffen oder Staubpartikel, windbedingtes Mixing) in Abhängigkeit von Zeit, Raum und ozeanischen Features?
    • KLIMA UND ANTHROPOGENISCHE WECHSELWIRKUNGEN: Wie reagieren biogeochemische Prozesse auf Klimastress und vom Menschen verursachte Veränderungen im Meer? Wie beeinflussen diese Veränderungen Kohlenstoffsenken und -quellen im offenen Ozean und in küstennahen Lebensräumen?
    • BIOGEOCHEMISCHE PROZESSE: Wie sind biogeochemische Kreisläufe mit physikalischen Prozessen gekoppelt und wie wirken sich Veränderungen in diesen Prozessen auf die biologische Vielfalt und die Funktion von Ökosystemen aus?
    • ZUKUNFT UND WISSENSCHAFTSTRANSFER: Wie können räumliche und zeitliche Muster in Klimamodelle implementiert werden, um künftige Veränderungen in den Küstenauftriebssystemen vorherzusagen und Optionen für den Küstenschutz zu ermitteln?
       
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    • JAHRESZEITLICHE VARIABILITÄT: Wie variieren Phytoplanktongemeinschaften, die für die Primärproduktion verantwortlich sind, im Zyklus der Jahreszeiten und wie wirkt sich dies auf das mikrobielle Nahrungsnetz und das Nahrungsnetz der Weidegänger aus?
    • RÄUMLICHE MUSTER - VERTIKALE STRUKTUR UND ÜBERGANG VON SCHELF ZU OFFENEM OZEAN: Wie sind die Nahrungsnetze in der gesamten Wassersäule miteinander verbunden und wie wird diese vertikale Vernetzung durch physikalische Faktoren beeinflusst?
    • TROPHISCHER TRANSFER BIS ZUM FISCH: Welche physikalischen und ökologischen Schlüsselfaktoren bestimmen die Effizienz des trophischen Transfers von Plankton und Mikroben zu Fischen und Megafauna im Küstenauftriebsgebiet?
    • ZUKUNFT & VORAUSSICHT: Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Produktivität der Ökosysteme und den trophischen Transfer aus? Wie empfindlich sind sie und wie kann unsere Arbeit dazu beitragen, Modelle zu entwickeln?

     

Gesellschaftliche Relevanz, partizipatives Management und Wissens(co-)produktion

Entscheidende soziokulturelle und politisch-ökonomische Forschungsfragen

  • Was sind die sozialen/wirtschaftlichen Anliegen und die wahrgenommenen Umweltprobleme aus Sicht der Kleinfischerei und anderer lokaler Interessengruppen?
  • Wie können die Perspektiven der verschiedenen Interessengruppen in den Kontext des Managements natürlicher Ressourcen integriert werden?
  • Welche Art und Intensität der nachhaltigen Nutzung von Auftriebsgebiete wird in Zukunft möglich sein?
  • Wie werden sich Veränderungen des Küstenauftriebs in Zukunft auf verschiedene Interessengruppen auswirken und die Vorteile der Ressourcennutzung umverteilen?
  • Inwieweit müssen derzeitige Governance- und (lokale) Managementkonzepte angepasst werden?
  • Wie lässt sich die internationale Zusammenarbeit zwischen Küstenländern, regionalen Organisationen und der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft verbessern und welche transformativen Formen der wissensbasierten Governance sind denkbar?
  • Welche Verantwortung haben Länder wie Deutschland und die EU in diesem Zusammenhang?

Es besteht dringender Bedarf, das erforderliche soziokulturelle und wirtschaftspolitische Wissen zu generieren und gemeinsam mit den zuständigen Akteuren in die Anwendung zu überführen. Ein wissensbasiertes, nachhaltiges und faires Management muss dabei auch ethischen, kulturellen und ökonomischen Ansprüchen gerecht werden und geeignete politische und ökonomische Steuerungsinstrumente auf verschiedenen Ebenen entwickeln. Der Prozess der Wissensproduktion muss daher von Beginn an im Co-Design mit Interessengruppen und den Abnehmern des Wissens im inter- und transnationalen Kontext entwickelt werden.

 

  • FUTURO ist eine gemeinsame internationale Kampagne, die von der deutschen Meeresforschungsgemeinschaft initiiert und vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert wird (Wissenschaftlicher Koordinator: Prof. Dr. Arne Körtzinger)

    Das Grundkonzept von FUTURO basiert auf den folgenden Aspekten:

    • Aktive Partnerschaft mit westafrikanischen Forschern, Interessengruppen und Meeresforschungsinstituten: Westafrikanische Experten werden wesentliche Partner bei der Mitgestaltung sein. Sie sind eingeladen, Partner des FUTURO-Experiments zu werden.
    • Einbindung aller interessierten Akteure der deutschen Forschungslandschaft: Das Experiment ist ein großes Gemeinschaftsprojekt, das von führenden nationalen Forschungsinstituten in Deutschland initiiert wird.
    • Koordination mit internationalen Forschungsgemeinschaften: Das Experiment soll international breit präsentiert und beworben werden. Wissenschaftliche Kooperationen sind ausdrücklich erwünscht.

    Interessiert an der Teilnahme an FUTURO?
    Kontakt:  info@futuro-campaign.org
    Mehr: www.futuro-campaign.org
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