Das wissenschaftliche Programm der Meteor-Expedition

Von der beschreibenden Meereskunde zur analytischen Ozeanografie

Die Deutsche Atlantische Expedition hatte beeindruckende wissenschaftliche Ergebnisse hervorgebracht. Über 67.000 systematisch erhobene Echolotmessungen verbesserten das Wissen über die Tiefenverhältnisse im Südatlantik immens. Das daraus entstandene, höherauflösende Bild des Meeresbodens zeigte erstmals deutlich den Mittelatlantischen Rücken. Neue Untiefen wurden entdeckt und zum Teil erstmals benannt. An über 300 Stationen führten die Forschenden chemische, physikalische und biologische Untersuchungen durch, begleitet von atmosphärischen Messreihen. Diese umfassende Forschungsweise markierte den Übergang von einer rein beschreibenden Meereskunde hin zur analytischen Ozeanografie, wie sie heute betrieben wird. Sie ermöglichte unter anderem den Nachweis des Wasseraustauschs zwischen den Strömungssystemen der Nord- und Südhalbkugel.

 

 

Die Vermessung des Meeresbodens

Mit den regelmäßigen Lotungen vermittelte die Expedition ein Bild des Meeresbodens im Südatlantik, das detailreicher war als bisher bekannt. Erstmals entstand ein für damalige Verhältnisse genaues Tiefenprofil des Mittelatlantischen Rückens (auch als „Atlantische Schwelle“ bezeichnet), das eine größere Ausdehnung und stärkeres Relief (zusätzliche Höhen und Tiefen, Becken und Schwellen) belegte als die Wissenschaft bis dahin angenommen hatte. Insgesamt wurden auf der Expedition rund 67.000 Echolotungen vorgenommen und 14 Tiefenprofile des Atlantiks erstellt.

Unterwegs wurde üblicherweise dreimal pro Stunde bei voller Fahrt mit dem Atlas-Lot und dem Signal-Lot gemessen, woraus sich ein Abstand von etwa 2 bis 3 Seemeilen zwischen den Messungen ergibt. Bei bewegten Reliefs wurde auch häufiger gelotet. Die zeitaufwändigeren, hergebrachten Drahtlotungen mit der Lucas-Lotmaschine und thermometrische Tiefenmessungen konnten nur an den festgelegten Stationen stattfinden.

Die Lotröhre – eine Stoßröhre mit Glasrohr – und der Bodengreifer brachten Sedimentproben an Bord, die auf ihre Komponenten und Korngrößen untersucht wurden. Zudem wurde der Salzgehalt des über dem Sediment stehenden Bodenwasser ermittelt. 

Zu den Geräten

  • Behmlot / Echolot: 1912 (dem Jahr des Untergangs der Titanic) hatte Alexander Behm das Verfahren der Echolotungen zum Patent angemeldet. Sein „Behmlot“, das die Schifffahrt sicherer machen sollte und auf der DAE weiter getestet wurde, arbeitete mit einer Knallpatrone. Es reichte in Tiefen bis zu 750 Meter und war zu jener Zeit noch recht ungenau und unzuverlässig. Behm gilt als Erfinder des Echolots. Die DAE läutete die Ära der Echolot-Messungen ein.
  • Freilot: bis 200 Meter Tiefe, torpedoförmiger Explosivkörper mit Sprengladung, der bei Grundberührung detonierte und einen Schall auslöste, Fallzeit war Basis für die Berechnung der Wassertiefe (aufgrund der kurzen Laufweite nicht der Schall)
  • Signal-Lot (Signalgesellschaft) und Atlas-Lot (Firma Atlas): Diese Geräte arbeiteten mit Schallwellen, die von Elektromagneten erzeugt wurden, Sender und Empfänger waren im Schiffsboden untergebracht. Sie arbeiteten verlässlich und lieferten übereinstimmende Daten. Von diesen Geräten stammen die Hauptmessungen der DAE.

Auszüge Tagebuch Kapitän Spieß zum Behmlot:

11. Jan 1925: „Schönes Wetter, wir steuern Magellanstrasse an. Wir machen Versuche mit dem Behmlot. Eine Menge von Patronen versagen. Apparat pendelt oft und die Eichung stimmt nicht.“

10. Nov 1925: „Unterwegs werden Versuche mit dem Behmlot gemacht, das jetzt gut funktioniert.“

7. April 1926: „Wir machen auf dem flachen Wasser Versuch mit dem Behmlot, das diesmal wieder nicht funktioniert u. loten dann weiter versuchsweise.“

Entdeckung der Meteor-Bank

Auf der Expedition wurde auch eine neue untermeerische Schwelle entdeckt, vermessen und benannt – die „Meteor-Bank“

Auszug Tagebuch Kapitän Spieß zur „Meteor-Bank“:
18.10.25: „Morgens finden wir mit Echolot eine Bank, wir machen auf 800 m Lotung u. Station 65. Danach wird die Bank, die wir „Meteorbank“ oder „Meteorschwelle“ taufen wollen in sinniger Anlehnung an die gestrige Bouvet Schwelle (Getauft Meteor – Bouvet 1870). Wir loten die Bank ab, sie ist ein vollkommener Kegel, der bis zu 590 m aufsteigt.“

Auszug aus dem Expeditionsbericht, Die Arbeiten auf Profil III zur METEOR-Bank:
„Auf der geographischen Länge der Bouvet-Insel wurde eine auf 1500 m ansteigende Schwelle festgestellt, deren Zusammenhang mit dem Bouvetsockel noch auf Profil V näher untersucht werden soll, und östlich davon wurde in 4S0 16'S und 8°14'O eine in sich abgeschlossene Bank gefunden und planmäßig abgelotet. Es handelt sich um eine aus 3000 m Tiefe aufsteigende in südwest-nordöstlicher Richtung verlaufende Bank mit einer geringsten Tiefe von 560 m. Sie ist anscheinend nicht vulkanischer Natur. Ihr wurde der Name „Meteorbank" gegeben.“

Erwähnt sind außerdem die Vermessung und Beschreibung etwa des Challenger-Tiefs, der Valdivia-Bank, des Walfischrückens, der Bouvet-Schwelle, der Peter-und-Pauls-Felsen und der Nelsonbank.

nach oben

 

 

Meeresströmungen und physikalische Parameter

Alfred Merz hatte die Erfassung von Vertikalströmungen (Vermischung), ein für die damalige Meeresforschung neues Thema, neben der (horizontalen) Ozeanzirkulation als eine der zentralen Aufgaben der Expedition festgelegt. Dies ist im Expeditionsbericht, „Bericht über die ozeanographischen Untersuchungen (Beobachter: Dr. Böhnecke, Dr. Meyer, Dr. Schumacher, Dr. Wüst)“ ausführlich gewürdigt:
„Die Hauptaufgabe der Expedition ist gegeben durch die Bearbeitung des Problems der atlantischen Horizontal- und Vertikalzirkulation mit dem letzten Ziele ihrer zahlenmäßigen Erfassung, oder, wie Merz die Aufgabe auch kurz formulierte: ermittelt soll werden die wahre Bewegung im Raum. (...) Man darf behaupten, daß Merz hiermit für das Weltmeer eine neue Epoche der Meeresforschung einleitete, nämlich die Epoche der intensiven räumlichen Erforschung eines ganzen ausgedehnten Ozeangebietes.“

An 310 Stationen entlang der 14 Tiefenprofile untersuchten die Forschenden Temperatur, Salzgehalt und den Gehalt an Sauerstoff. Dabei stellten sie eine auffallende Schichtung fest, die aus ihrer Sicht durch die ozeanische Zirkulation erzeugt und durch das Meeresbodenrelief und regionale Strömungen unterbrochen wurde.

Auch Untersuchungen der Wasserproben auf Chlorgehalt, Wasserstoffionen-Konzentration, Sauerstoffgehalt, Kohlensäuredruck und Alkalinität, Phosphorsäuregehalt und andere chemische Eigenschaften bringen die Forscher in einen Zusammenhang mit der Zirkulation (sowie mit den Lebensbedingungen des Planktons).

Verschiedene Messgeräte im Einsatz:

  • Ekman-Merz Strommesser
  • Ekman-Repetierstrommesser
  • Relings-Log
  • Wasserschöpfer
  • Großer Vier-Liter-Wasserschöpfer (Modifikation des Krümmel-Schöpfers)
  • Kipp-Wasserschöpfer nach Ekmann
  • Serienwasserschöpfer (Kippwasserschöpfer, die in Serien bis Zwölf Stück geschaltet werden können)
  • Oberflächenthermometer
  • Kipp-Thermometer (Temperatur-Messungen unter 1000 Meter)
  • Flaschenposten
  • Sichttiefenmessung mit Secci-Scheibe

nach oben

 

 

Leben im Meer und Plankton-Zählungen

Meeresbiologische Arbeiten standen weniger im Fokus der Expedition, sind jedoch regelmäßig im Tagebuch des Kapitäns erwähnt und im Expeditionsbericht sorgfältig zusammengefasst. Ihre Beobachtungen und Ergebnisse der Plankton-Zählungen bringen die Forscher in Zusammenhang mit ozeanografischen Parametern („Produktionsbedingungen“), Vermischung und Strömungsverhältnissen. Neben dem Sauerstoff betonen sie die Bedeutung der Verteilung von Nährstoffen durch vertikale Vermischung für das Plankton. Die Expedition rühmt sich, die ersten Plankton-Zählungen in „allen Schichten des Ozeans“ hervorgebracht und die Verteilung in Längs- und Querschnitten dargestellt zu haben. Als Orientierung werden die Arbeiten des Zoologen Hans Lohmann herangezogen (Methodik, Schlussfolgerungen), der auf seinen Reisen jedoch nur Plankton in Tiefen bis 400 Meter erforschen konnte.

Häufige Erwähnung finden außerdem die Beobachtung des Meeresleuchtens, von Feuerwalzen und Quallen, die sich in den Geräten verfangen, von Meeressäugern, Seevögeln und Tieren an Land. Die seltenen Zufalls-Funde von Tiefseefischen hebt der Kapitän in seinem Tagebuch hervor, teilweise legt er sogar Skizzen an. Gewissen Raum nimmt auch die Beschreibung von „Globerinenschlamm“ ein.

An verwendeten Geräten sind das Apstein-Netz (bis in 200 Meter Tiefe) und das Nansen’sche Schließnetz (von 1000 bis 700 Meter bzw. von 500 bis 200 Meter) für das Sammeln, die Bestimmung und die Auszählung größerer Plankton-Arten, sowie die Secci-Scheibe („weiße Scheibe“) für die Ermittlung der Sichttiefe erwähnt. Für die quantitative Erfassung des Nanoplanktons werden kleinere Wassermengen (100 und 540 Milliliter), die mit den Wasserschöpfern aus verschiedenen Tiefen gewonnen werden, zentrifugiert und anschließend „im noch lebenden Zustande“ unter dem Mikroskop ausgezählt. Weiteren Aufschluss geben die Sedimentation von Wasserproben und die Filtration von Meerwasser über die Deckwaschpumpe.

Biologe Ernst Hentschel beschreibt im Expeditionsbericht, wie die Lebensbedingungen entlang aller Profile die Zusammensetzung, vorherrschende Arten und Gesamtzahlen im Plankton beeinflussen. Zonen gleicher Planktonmengen werden in seiner Darstellung durch „Isoplankten“ begrenzt. Dabei hebt er einen großen Unterschied zwischen dem Plankton im nördlichen (nördlich 25°) und im südlichen (südlich 30°) Atlantik hervor: In 200 Metern Tiefe sei die Plankton-Menge (mittlere Individuen-Zahl pro Liter Wasser) im Süden etwa doppelt so groß wie im Norden, während bei 2000 Metern Tiefe die Menge ungefähr gleich sei. Die beobachtete Plankton-Armut auf Profil II bei 25° bis 30°S erklärt er teils mit einer Störung durch zwei untermeerische Rücken (Rio Grande-Rücken, Walfischrücken), welche die Wassermassen aufstaut, vermutet aber auch noch andere, ihm unklare Ursachen.

Auszüge aus dem Expeditionsbericht, Bericht über die Biologischen Arbeiten, von Ernst Hentschel:
„Das Vorhandensein einer klimatisch bedingten zonalen Verteilung, die gliedernde Wirkung der Strömungen und daneben doch wieder die Selbständigkeit der Völker gegenüber jenen Faktorenkomplexen, Dinge, die Lehmann bereits deutlich nachgewiesen hatte, traten gut hervor. Anzeichen einer Periodizität im Ablauf des Planktonlebens schienen vorhanden zu sein.“

„Die lichtlose Tiefsee war zum Beginn unserer Expedition für die quantitative Planktonforschung im vollen Sinne des Wortes mare incognitum. Wir haben nun festgestellt, daß im Bereich unserer drei ersten Profile das Wasser in allen Tiefen noch so dicht mit Nannoplankton bevölkert ist, daß in wenig mehr als einem halben Liter (540 cem) Wasser fast ausnahmslos noch einige Organismen zu finden sind. Dies Tiefenplankton stellt sich nicht nur als ein verarmtes Oberschichtenplankton dar, sondern ist einigermaßen charakteristisch...“

nach oben

 

 

Meterologische Messungen

Im Bereich der Meteorologie setzen sich die Forscher zum Ziel, Abhängigkeiten von der Ozeanzirkulation zu entschlüsseln, „da neben den regionalen Unterschieden der physikalischen Eigenschaften des Meereswassers es hauptsächlich die Winde sind, welche die Zirkulation des Ozeans bedingen.“ Auch vermuteten sie in der atmosphärischen Zirkulation ähnliche Gesetze wie im Ozean und eine vergleichbare Unterteilung zwischen Nord- und Südhalbkugel. Für den bis dato wenig erforschten Südatlantik lieferten sie erste grundlegende Erkenntnisse.

Die Messungen wurden folgendermaßen durchgeführt:

  • Stündlich: Temperatur, Luftdruck, Bewölkung, Sichtweite, Seegang
  • Zusätzlich drei Mal täglich („Terminmessungen): Luftdruck, Luft- und Wassertemperatur, Feuchtigkeit, Windrichtung, Windstärke, Wolkenform und Bedeckungsgrad, Seegang und Sicht, Meldung per Funk nach Deutschland
  • Pilot-Ballons: Aufstiege beinahe täglich, Messung von Windstärke und Windrichtung, bis in 3000 bis 10.000, maximal auch 21.000 Metern Höhe
  • Registrierballons: Sensoren im Korkkasten für Temperatur, Druck, Feuchtigkeit
  • Drachenaufstiege: Temperatur, Druck, Feuchtigkeit, Windgeschwindigkeit in 2000 bis 3000, maximal auch 4500 Metern Höhe

Auszüge Tagebuch Kapitän Spieß zu meteorologischen Messungen:

03.02.27: „Wir machen Registrierballonaufstieg. Der erste Ballon platzt vorzeitig schon nach etwa 20 Min in etwa 5000m Höhe. Der Signalballon wird dauernd verfolgt u. gepeilt, platzt aber auch vorzeitig, sodaß wir nach 3/4 Stunden mit Alle Fahrt laufen müssen, um an die Stelle zu kommen, wo Hülle u. Instrument im Wasser treiben. Wir bekommen es auf den Kopf etwas später als die geschätzte Zeit u. der Signalgast Spiekermann im Vortopp erhält die 10 R.M. Belohnung ausgerechnet an seinem Geburtstag. Die Meteorologen führen das Vorzeitige Platzen des Ballons auf die große Hitze zurück, infolge deren die Ballons sich zu schnell ausdehnen. Immerhin hat das Instrument eine Höhe von 4780m erreicht.“

15.10.1925: „…Die Meteorologen haben heute den Pilotballon nicht mehr weiter gemessen, weil sie ihn für einen Stern hielten, was ihnen neulich schon einmal mit der Venus passiert ist. Die gestrige Station hat die für die arktischen Gebiete typische Temperaturinversion gezeigt oben kalt – dann warm – dann wieder kalt.“

nach oben

 

 

Quellen