Björn Buchholz vom GEOMAR kontrolliert den Besatz in den Versuchskammern der Benthokosmen. Foto: J. Steffen, GEOMAR
Jede Versuchskammer muss für denLangzeitversuch mit der gleichen Lebensgemeinschaft besetzt sein. Dafür sortieren die Wissenschaftler und Studenten vor dem Start die Organismen genau. Foto: J. Steffen, GEOMAR
Benthokosmen im Schnee: Pünktlich zum Beginn der Winterversuchsreihe kehrte der Winter tatsächlich an die Kieler Förde zurück. Foto: J. Steffen, GEOMAR

Ein Blick in die Zukunft der Ostsee

Erstes Verbundprojekt in den Kieler Benthokosmen gestartet

15.1.2013/Kiel. Die Ostsee befindet sich im Wandel – wie jedes andere Meer auch. Die Durchschnitts-Temperaturen steigen, immer mehr Kohlendioxid (CO2) löst sich im Wasser und lässt den pH-Wert sinken. Zusätzlich hat die Ostsee mit Problemen zu kämpfen, die auf ihre sehr spezielle Lage zurückzuführen sind. Dazu gehören die Zunahme des Nährstoffgehaltes sowie die Abnahme des Salzgehaltes aufgrund stärkerer Zufuhr von Süßwasser. All das sind Befunde, die Wissenschaftler schon jetzt beobachten können. Doch wie sehen die langfristigen Folgen aus? Werden alle Organismen in der Ostsee die Veränderungen verkraften? Wenn nicht, wer wird übrig bleiben? Und wer wird Lücken im Ökosystem neu besetzen?


Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine auf über drei Jahre angelegte Versuchsreihe, die in der vergangenen Woche direkt vor der Haustür des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel startete. Dort sind an der Kieler Hafenpromenade, der sogenannten „Kiellinie“, auf einem Ponton sechs Versuchsbehälter befestigt. In ihnen lassen sich küstennahe Ökosysteme simulieren. In zahlreichen Vorversuchen wurde die komplizierte Technik dieser „Benthokosmen“ überprüft und weiterentwickelt, bis sie den wissenschaftlichen Anforderungen entsprach.

In der vergangenen Woche haben nun Forscher und Studenten des GEOMAR-Forschungsbereichs „Marine Ökologie“ in Zusammenarbeit mit den beteiligten Instituten von der Uni Kiel, der Uni Rostock, dem IOW in Warnemünde, und dem AWI in Bremerhaven die Versuchsbehälter mit Blasentang, Krebstieren, Muscheln und anderen Organismen des Ostseeküste besetzt. Da sich jeder Behälter in zwei Versuchskammern unterteilen lässt, können die Wissenschaftler insgesamt 12 Kammern nutzen. In jeder einzelnen Kammer befindet sich jetzt eine typische Lebensgemeinschaft, wie sie vor jedem schleswig-holsteinischen Strand im Flachwasser existiert.

Diese Lebensgemeinschaften setzen die Wissenschaftler ab sofort geänderten Umweltbedingungen aus. „In drei Kammern werden wir die Temperaturen erhöhen, in drei anderen den CO2-Gehalt, in drei weiteren Temperatur und CO2-Gehalt“, erklärt die Diplom-Biologin Stefanie Sokol vom GEOMAR, die über die Versuche ihre Doktorarbeit schreiben wird. Die letzten drei Kammern werden überhaupt nicht beeinflusst und dienen als Kontrollgruppe. Das Einzigartige an diesen Behandlungen besteht unter anderem darin, dass sie „dynamisch“ geschehen, d.h. den ständig gemessenen Bedingungen in der Förde wird die für 2100 vorhergesagte Veränderung der Temperatur oder des pH nur aufaddiert. Im Verlauf der kommenden Monate können die Biologen beobachten, wie sich das Artenspektrum in den einzelnen Kammern verändert und wie die Ökosystemdientse der Gemeinschaft sich verschieben..

„Das ist ein bislang einmaliger Versuch. Bisher hat man immer nur einzelne Arten und einzelne veränderte Umweltparameter betrachtet. Dank der neuen Benthokosmen können wir ganze Lebensgemeinschaften mehreren veränderten Umweltparametern aussetzen und kommen den natürlichen Bedingungen durch die dynamische Behandlung sehr nahe“, erklärt der Projektleiter Professor Martin Wahl vom GEOMAR.
Doch nicht nur die Veränderungen in der Ostsee wollen die Forscher untersuchen. Die Versuche in den Kieler Benthokosmen dienen auch aus als Vergleichsstudien für ähnliche Versuche am Alfred-Wegener-Institut auf Sylt und in Haifa (Israel). Denn die Ostsee macht im Lauf eines Jahres sehr große Schwankungen durch. Die Biologen vermuten, dass Organismen, die diese kurzfristigen Sdchwankungen aushalten, auch mit dem langfristigen Ansteigen von Durchschnittstemperaturen besser klarkommen, als Organismen, die in einem vergleichsweise stabilen System wie dem Mittelmeer leben. „Ob diese These stimmt, können wir nur mit Hilfe von Vergleichstsudien herausfinden, wie wir sie jetzt mit Kiel, Sylt und Haifa planen“, sagt Professor Wahl.
Die Versuche sind Teil des nationalen Verbundprojektes zur Erforschung der Ozeanversauerung BIOACID sowie des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes BaltMed.

 

Links:

Das Verbundprojekt zur Erforschung der Ozeanversauerung BIOACID
Das Projekt BaltMed

Björn Buchholz vom GEOMAR kontrolliert den Besatz in den Versuchskammern der Benthokosmen. Foto: J. Steffen, GEOMAR
Björn Buchholz vom GEOMAR kontrolliert den Besatz in den Versuchskammern der Benthokosmen. Foto: J. Steffen, GEOMAR
Jede Versuchskammer muss für denLangzeitversuch mit der gleichen Lebensgemeinschaft besetzt sein. Dafür sortieren die Wissenschaftler und Studenten vor dem Start die Organismen genau. Foto: J. Steffen, GEOMAR
Jede Versuchskammer muss für denLangzeitversuch mit der gleichen Lebensgemeinschaft besetzt sein. Dafür sortieren die Wissenschaftler und Studenten vor dem Start die Organismen genau. Foto: J. Steffen, GEOMAR
Benthokosmen im Schnee: Pünktlich zum Beginn der Winterversuchsreihe kehrte der Winter tatsächlich an die Kieler Förde zurück. Foto: J. Steffen, GEOMAR
Benthokosmen im Schnee: Pünktlich zum Beginn der Winterversuchsreihe kehrte der Winter tatsächlich an die Kieler Förde zurück. Foto: J. Steffen, GEOMAR