Telekommunikationskabel auf dem Meeresgrund können wichtige Daten über das Klima und zu geologischen Gefahren liefern. Dieses Potenzial wird die neue Forschungsinfrastruktur SAFAtor nutzen. Illustration: Adobe Stock

Telekommunikationskabel können sowohl an Land wie im Meer und der Tiefsee als Sensoren genutzt (pinkes Kabel) bzw. mit Sensoren ausgestattet werden (blaues Kabel) und so einzigartige Daten zum Monitoring von Klima und Naturgefahren wie Erdbeben, Tsunami, Vulkanausbrüche, Hangrutschungen liefern. Abbildung: M. Dziggel, GFZ

Monitoring der Weltmeere mithilfe von Telekommunikationskabeln

Kick-Off für neue Helmholtz-Forschungsinfrastruktur SAFAtor

04.03.2024/Potsdam/Kiel. Bestehende Telekommunikationskabel am Meeresboden können wichtige Daten über das Klima und zu geologischen Gefahren liefern. Dieses Potenzial wird die neue Forschungsinfrastruktur SAFAtor nutzen: Durch die Ausstattung bestehender Kabel mit innovativen Sensoren sollen entscheidende Daten über Ozeanströmungen, Erdbeben und Tsunamis gewonnen und Frühwarnsysteme verbessert werden. Das mit 30 Millionen Euro geförderte Projekt wird vom GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung (GFZ) in Potsdam gemeinsam mit dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel geleitet. Der offizielle Startschuss fällt morgen beim Kick-Off-Meeting in Potsdam.

Die weltweite Überwachung des Erdsystems erfolgt bisher vor allem durch wissenschaftliche Infrastrukturen an Land, das jedoch nur etwa 30 Prozent der Erdoberfläche ausmacht. Der Ozean, insbesondere der Meeresboden, der eine zentrale Rolle bei der Regulierung des Klimas spielt und Schauplatz gefährlicher Naturkatastrophen ist, ist bislang unzureichend überwacht. Dies führt zu erheblichen Lücken bei der Erfassung wichtiger Parameter.

Um diese Lücken zu schließen, wird das GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung in Potsdam gemeinsam mit dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel vorhandene Telekommunikationskabel auf dem Meeresgrund mit innovativer Sensortechnologie ausstatten. Diese so genannten SMART-Kabel sollen wertvolle Daten zu Klima- und Geogefahren wie Erdbeben und Tsunamis in Echtzeit liefern.

Der Name des Projekts: SAFAtor. Das steht für „SMART Cables And Fiber-optic Sensing Amphibious Demonstrator“ (etwa: Demonstrator von SMART-Kabeln sowie faseroptischer Sensorik zur wissenschaftlichen Überwachung in amphibischer Umgebung). SAFAtor wird von dem GFZ-Wissenschaftler Professor Dr. Fabrice Cotton geleitet. Am GEOMAR verantworten Professorin Dr. Heidrun Kopp (Leiterin des Forschungsbereichs Dynamik des Ozeanbodens), Professorin Dr. Laura Wallace (Marine Geodynamik), Professor Dr. Peter Brandt (Physikalische Ozeanographie) und Professorin Dr. Morelia Urlaub (Marine Geomechanik) das Projekt.

Die Forschungsinfrastruktur SAFAtor ist Teil des Portfolios der großen Helmholtz-Infrastrukturen und wird als strategische Ausbauinvestition mit 30 Millionen Euro gefördert. Morgen [5. März] startet es offiziell mit einem Kick-Off-Meeting am GFZ in Potsdam.

Ozeandatenlücken schließen

Der Ozean bedeckt 70 Prozent unseres Planeten und spielt eine zentrale Rolle im Klimasystem. Der Meeresboden beherbergt zudem einzigartige Ökosysteme und tektonische Plattengrenzen, die schwere Erdbeben und Tsunamis auslösen können. Dennoch ist wenig bekannt über diese Prozesse, da der Ozeanboden schwer zugänglich und nur unzureichend mit Messstationen ausgestattet ist. „SAFAtor bietet uns die herausragende Möglichkeit, diese Datenlücke zu schließen, ein umfassendes Verständnis des Klimasystems zu erlangen und die Ursachen von Geogefahren besser zu erforschen,“ sagt Heidrun Kopp.

SMART-Kabel und Echtzeitdaten

Die Projektpartner wollen in den nächsten fünf Jahren ein unterseeisches Telekommunikationskabel mit Sensoren ausstatten, das kontinuierlich Echtzeitdaten zu Temperatur, Druck und Bodenbewegung liefert. Solche mit intelligenter Sensortechnik ausgestatteten Kabel werden als SMART (Science Monitoring and Reliable Telecommunications, Wissenschaftliche Überwachung und verlässliche Telekommunikation) bezeichnet. „Telekommunikationskabel durchziehen die Weltmeere und müssen alle 25 Jahre erneuert werden“, sagt Laura Wallace. „Durch den Einsatz von SMART-Kabeln haben wir die Möglichkeit, eine einfache und vergleichsweise kostengünstige Sensorabdeckung des Ozeanbodens und der Küstengebiete zu erreichen.“

Abdeckung von Tiefsee und küstennahen Bereichen

Im Laufe des Projekts soll ein Tiefsee-Telekommunikationskabel vor dem Verlegen in einem Abstand von etwa 20 bis 30 Kilometern mit rund 40 Sensorstationen ausgestattet werden. Dabei soll gezeigt werden, dass der Telekommunikationsverkehr nicht gestört wird.

Wo das für SAFAtor genutzte Kabel liegen soll, steht noch nicht fest. Derzeit werden weltweit mögliche Regionen dafür erkundet, etwa im Mittelmeer, in der Arktis oder vor Neuseeland. Das System kann dann als Modell für zukünftige Projekte dienen und so internationale Initiativen, die dieses Messsystem an weiteren Kabeln etablieren wollen, mit praktischen und wissenschaftlichen Erfahrungen unterstützen.

Zudem ist ein permanentes küstennahes Monitoring an drei ausgewählten Observatorien geplant: in der Nähe der seismisch aktiven nordanatolischen Verwerfungszone, die die Stadt Istanbul bedroht, am Ätna, einem der aktivsten Vulkane Europas und an der nordchilenischen Subduktionszone, wo regelmäßig starke Erdbeben auftreten. Für das küstennahe Monitoring wird das Prinzip der faseroptischen Messung genutzt, bei der das Kabel selbst als Sensor dient. Mit dieser Technik können Lichtpulse in einzelnen Glasfasern genutzt werden, um selbst kleinste Bodenbewegungen zu messen, wie sie zum Beispiel durch Erdbebenwellen ausgelöst werden.

Neue Daten für Klimaforschung und Frühwarnsysteme

Die neuen Daten haben das Potenzial, das Verständnis der Ozeanströmungen und der Rolle des Ozeans im Klimawandel zu revolutionieren. Gleichzeitig werden sie für das Verständnis von Geogefahren (Erdbeben, Tsunamis, Hangrutschungen, Vulkanausbrüche) von herausragender Bedeutung sein und die Frühwarnzeiten bei Extremereignissen deutlich verkürzen. Neben diesen Kernanwendungen werden die Daten auch der Erforschung mariner Ökosysteme dienen.

„Die Echtzeitüberwachung der Vorgänge am Meeresboden ist ein Schlüssel zum Schutz der Gesellschaft vor Naturgefahren und den Auswirkungen des Klimawandels“, sagt Morelia Urlaub. „Mit Hilfe von SAFAtor können wir hochauflösende Daten nicht nur für Erdbeben- und Tsunamistudien, sondern auch für die Ozeanografie und die Klimawissenschaften bereitstellen – und das mit einer Infrastruktur, die nur einen minimalen ökologischen Fußabdruck hinterlässt.“

Zentrale Datenplattform

Alle neu gewonnenen Kabeldaten werden zentral gesammelt und zur Verfügung gestellt. Der vom GFZ geleitete Datendienst wird als Plattform für zukünftige Kabeldaten dienen. „Die Helmholtz-Gemeinschaft hat damit die Chance, eine weltweit führende Rolle in der Entwicklung dieser kabelgebundenen Sensorsysteme und der Verbreitung der neuen Beobachtungsdaten zu übernehmen“, sagt Projektleiter Fabrice Cotton.

 

Hintergrund: Expertise der beteiligten Zentren

Das GEOMAR hat langjährige Erfahrung in der weltweiten Erforschung der Tiefsee und von Naturgefahren aus dem Meer. Mit seiner Expertise in der Entwicklung von Unterwassertechnologien wird es federführend an der Integration der notwendigen SMART-Sensortechnologie in Tiefseekabel beteiligt sein.

Die Wissenschaftler:innen des GFZ werden vor allem für den Ausbau der Observatorien im küstennahen Bereich verantwortlich sein, aber auch bei der Auswahl und Ausstattung eines Demonstratorkabels mit SMART-Sensorik mitwirken. Darüber hinaus stellt das GFZ die Infrastruktur zur Verfügung, um die neu gewonnenen Daten nach den FAIR-Prinzipien zu verarbeiten, zu archivieren und zugänglich zu machen. FAIR steht dabei für auffindbar, zugänglich, interoperabel und nachnutzbar.

Die assoziierten Projektpartner – die Helmholtz-Zentren AWI und Hereon – stellen ihre Unterwasserinfrastruktur COSYNA in der Nähe von Helgoland für Entwicklungszwecke zur Verfügung. SAFAtor erfährt darüber hinaus eine breite nationale und internationale Unterstützung durch wissenschaftliche Konsortien und Institute, Industrie und Netzbetreiber.

Zeichnung eines Unterseekabels, bei der auch die Fasern im Innern des Kaels gezeigt werden

Telekommunikationskabel auf dem Meeresgrund können wichtige Daten über das Klima und zu geologischen Gefahren liefern. Dieses Potenzial wird die neue Forschungsinfrastruktur SAFAtor nutzen. Illustration: Adobe Stock

Zeichnung: Schnitt durch Land und Meer

Telekommunikationskabel können sowohl an Land wie im Meer und der Tiefsee als Sensoren genutzt (pinkes Kabel) bzw. mit Sensoren ausgestattet werden (blaues Kabel) und so einzigartige Daten zum Monitoring von Klima und Naturgefahren wie Erdbeben, Tsunami, Vulkanausbrüche, Hangrutschungen liefern. Abbildung: M. Dziggel, GFZ