Aus sicherem Abstand: Ansicht der 2018 abgerutschten Westflanke vom Anak Krakatau, an dessen Stelle sich bereits ein neuer Vulkankegel gebildet hat. Die weiße Rauchsäule zeigt wie aktiv dieser Vulkan ist. Foto: Jonas Preine (Universität Hamburg)

Während der Messungen: Blick auf den Anak Krakatau von Bord der FS SONNE aus. Bild: Jonas Preine (Universität Hamburg)

In Bakauheni werden indonesische Gäste und Zollbeamte mit Booten zur FS SONNE gebracht. Foto: Séverine Furst (GEOMAR)

Selten aber verheerend: Wenn Vulkane Tsunamis auslösen

Expedition nach Indonesien erforscht Hangrutschung des Anak Krakatau

22.08.2023/Kiel. Vulkanausbrüche und Hangrutschungen haben das Potential zerstörerische Tsunamiwellen auszulösen. Um besser zu verstehen, welche Anzeichen einem Kollaps vorausgehen und gefährdete Vulkanregionen zu identifizieren, untersucht Professorin Dr. Morelia Urlaub vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel mit ihrem Team Inselvulkane auf der ganzen Welt. Auf ihrer jüngsten Expedition mit dem Forschungsschiff SONNE sammelt sie derzeit Daten am Anak Krakatau in Indonesien.

Die Westflanke des Anak Krakatau rutschte im Dezember 2018 ins Meer. Der Tsunami, der durch diese Hangrutschung ausgelöst wurde, traf die Küste Indonesiens völlig unvorbereitet. 430 Menschen starben, die Flutwelle hinterließ massive Zerstörungen an den umliegenden Küsten. Eine Frage war damals, warum das Tsunami-Warnsystem in der Region keinen Alarm ausgelöst hatte.

„Die allermeisten Tsunamis werden durch starke Beben im Meer ausgelöst, hier greifen Frühwarnsysteme. Hin und wieder entstehen Tsunamis jedoch auch infolge vulkanischer Eruptionen oder Hangrutschungen“ erklärt Morelia Urlaub, Professorin für Marine Geomechanik am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Für diese Tsunami-Ereignisse existieren zurzeit keine Frühwarnsysteme, weil viele der grundlegenden Prozesse noch nicht vollständig verstanden sind.“

Diese Forschungslücke möchte sie mit ihrem Projekt PRE-COLLAPSE schließen. Das steht für „Slow sliding of volcanic flanks as PREcursor to catastrophic COLLAPSE“, langsames Abrutschen von Vulkanflanken als Vorläufer eines katastrophalen Kollapses. Um Anzeichen für solche Katastrophen zu erkennen und gefährdete Vulkanregionen zu identifizieren, untersucht sie mit ihrem Team derzeit mehrere Inselvulkane vom Gipfel bis hinunter zu ihrem Fuß am Meeresboden. Nach Ritter Island (Papua-Neuguinea) und dem Ätna auf Sizilien (Italien) hat ihre jüngste Expedition sie jetzt nach Indonesien geführt. Mit dem Forschungsschiff SONNE ging es in die Sundastraße zwischen Sumatra und Java, wo seit Freitag Messungen am Anak Krakatau durchgeführt werden. Der Titel der SO299/2-Expedition: „Rekonstruktion von Eruptionen und vulkanischen Tsunamis am Vulkan Krakatau“, kurz „REE-T“.  

Die Inseln des Krakatau-Archipels sind das Ergebnis vieler Eruptionen, darunter einer der größten Vulkanausbrüche der Geschichte im Jahr 1883. „Was Tsunamis durch Vulkane anbetrifft, stellt dieses Ereignis alle anderen in den Schatten“, sagt Morelia Urlaub. „Tsunami-Wellen, die sich bis zu 30 Meter hoch auftürmten, verwüsteten die Küsten. Geschätzte 36.000 Todesopfer gab es damals.“ Ein Vergleich macht die Dimension des Ausbruchs von 1883 deutlich: Dessen Energie kann mit der dreizehntausendfachen Stärke der auf Hiroshima abgeworfenen Atombombe verglichen werden. Dieser Ausbruch zählt zu den größten Katastrophen der Neuzeit.

Der jüngste Kollaps im Dezember 2018 gilt als der am besten überwachte Flankeneinsturz. Es gibt Daten, die zum Beispiel das allmähliche Abgleiten der Flanke, die vulkanische Aktivität und die Oberflächentemperatur vor, während und nach dem Einsturz beschreiben. Auf Satellitenaufnahmen ist zu erkennen, dass dem eigentlichen Einsturz ein langsames seewärts und abwärts gerichtetes Abgleiten der Westflanke über einen Zeitraum von mehreren Jahren vorausging. „Überraschenderweise beschleunigte sich diese Bewegung unmittelbar vor dem Einsturz nicht, wie man es erwarten würde“, sagt Urlaub.

Während seiner Forschungsreise will das Team nun die wichtigsten Parameter für die Entstehungsmechanismen der Tsunamis von 1883 und 2018 rekonstruieren. Dafür konzentrieren sich die 16 Forschenden auf die umfassende Untersuchung der Ablagerungen des Sektoreneinsturzes von 2018 sowie der pyroklastischen Ströme, die bei der historischen Eruption von 1883 freigesetzt wurden. Mithilfe modernster geophysikalischer und geologischer Techniken wie seismischen Reflexionsprofilen, Sedimentkernbohrungen und photogrammetrischen Drohnenvermessungen wird das Team die geologischen Prozesse analysieren, die große Tsunamis auslösen, um die Gefahren in Zukunft besser einschätzen und Frühwarnsysteme entwickeln zu können.

Expedition auf einen Blick:
SONNE-Expedition 299/2
Fahrtleitung: Prof. Dr. Morelia Urlaub (GEOMAR)
Start: 15. August 2023, Singapur
Ende: 2. September 2023, Port Louis (Mauritius)

Hintergrund PRE-COLLAPSE

Im Rahmen des Projekts PRE-COLLAPSE (Slow sliding of volcanic flanks as PREcursor to catastrophic COLLAPSE) werden zwei unterschiedliche Arten von Vulkanzusammenbrüchen untersucht: das langsame Rutschen von Vulkanflanken und der katastrophale Kollaps. Dafür sollen vier Küsten- bzw. Inselvulkane jeweils vom Gipfel bis zum Fuß in der Tiefsee erfasst werden: Ätna (Italien), Anak Krakatau (Indonesien), Ritter Island (Papua-Neuguinea) und Kilauea (Hawaii, USA). Die Ergebnisse sollen helfen, Vulkanflanken zu identifizieren, bei denen ein Kollaps bevorsteht.

Projekt-Förderung:

Das Projekt PRE-COLLAPSE wird mit einem Starting Grant des European Research Council (ERC) gefördert, die Ausfahrt der SONNE wird mit Mitteln des Bundesforschungsministeriums (BMBF) gefördert.

Ein rauchender eingestürzter Vulkankegel im Meer

Aus sicherem Abstand: Ansicht der 2018 abgerutschten Westflanke vom Anak Krakatau, an dessen Stelle sich bereits ein neuer Vulkankegel gebildet hat. Die weiße Rauchsäule zeigt wie aktiv dieser Vulkan ist. Foto: Jonas Preine (Universität Hamburg)

Blick von Bord der FS SONNE aus auf den Vulkankegel des Anak Krakatau

Während der Messungen: Blick auf den Anak Krakatau von Bord der FS SONNE aus. Bild: Jonas Preine (Universität Hamburg)

Zwei Holzboote nahe der Küste machen an einem großen Forschungsschiff fest

In Bakauheni werden indonesische Gäste und Zollbeamte mit Booten zur FS SONNE gebracht. Foto: Séverine Furst (GEOMAR)