GEOMAR-Vulkanologe Steffen Kutterolf, einer der beiden wissenschaftlichen Leiter der Expedition, beobachtet den Sonnenuntergang vom Hubschrauberlandeplatz aus. Foto: Erick Bravo / IODP, JRSO

Carole Berthod (Sedimentologin/Vulkanologin, Université Paris Cité, Frankreich) und Ralf Gertisser (Sedimentologe/Vulkanologe, Keele University, Großbritannien) arbeiten an Beschreibungen von Bohrkernen. Foto: Jonas Preine / IODP

Die JOIDES Resolution mit dem Vulkan Santorini im Hintergrund. Foto: Thomas Ronge / IODP, JRSO

Eine Luftaufnahme der JOIDES Resolution bei Nacht und die Reflexion bunter Lichter auf der Ägäis. Foto: Thomas Ronge / IODP, JRSO

Grafik, die den Ausbruch des Kos-Vulkans vor 161.000 Jahren zeigt. Die pyroklastischen Ströme aus dem Ausbruch gelangen ins Meer und verwandeln sich durch die Mitnahme von Meerwasser in fließende Suspensionen aus Vulkanasche und Wasser. Diese bewegen sich dann über den Meeresboden mehr als 140 Kilometer westwärts zu den Unterwasserbecken nordöstlich von Santorin. Pyroklastische Ströme bewegen sich auch über Land, und Vulkanasche wird durch atmosphärische Winde nach Osten geweht. Die Zahlen geben die durch jeden Prozess verstreuten Aschevolumina an. Grafik: IODP

Die Teilnehmenden der Expedition 398 genießen die Aussicht, als die JOIDES Resolution in die Caldera von Santorin einfährt. Foto: Elisabetta Olivo / IODP, JRSO

Wellenkämme an einem windigen Tag während der Fahrt zum ersten Standort der Expedition 398. Im Hintergrund ist die griechische Insel Kythira zu sehen. Foto: Erick Bravo / IODP, JRSO

Studie verdeutlicht die massiven Auswirkungen großer explosiver Vulkanausbrüche auf die Unterwasserwelt

Entdeckung einer 200 Meter dicken Schicht aus Vulkanasche im Ägäischen Meer, die durch Unterwasserströme abgelagert wurde, die sich über mehr als 140 km vom Ursprungsvulkan entfernt hatten

15.08.2025/Kiel. Die Wissenschaftler:innen Abigail Metcalfe, Tim Druitt, sowie Katharina Pank und Steffen Kutterolf vom GEOMAR und weitere Forschende der Expedition 398 „Hellenisches Vulkangebiet” des Internationalen Ozeanforschungsprogramms (International Ocean Discovery Program, IODP) haben ein 200 Meter dickes Megabett aus Vulkanasche entdeckt, das in den Unterwasserbecken des Hellenischen Vulkanbogens nordöstlich von Santorin in Griechenland vergraben ist. Die Ascheablagerung, die im Fachmagazin Science Advances beschrieben wird, stammt aus dem 161.000 Jahre alten Kos-Plateau-Tuff-Ausbruch des Kos-Vulkans im östlichen Teil des Vulkanbogens. Die bei der Eruption freigesetzte Vulkanasche floss ins Meer und breitete sich über 140 km westlich parallel zum Vulkanbogen über den Meeresboden aus, wo sie marine Ökosysteme zerstörte und eine riesige Schicht Vulkanasche in tiefen Meeresgräben hinterließ. Die Erkenntnisse verdeutlichen, dass große Vulkanausbrüche in marinen Gegenden die Meeresbodenlandschaft umgestalten und meerlebende Arten regional in kurzlebigen, katastrophalen Ereignissen auslöschen können.

Explosive Eruptionen von Inselvulkanen wie Tambora (1815 n. Chr.), Krakatau (1883 n. Chr.) und Santorin (1600 v. Chr.) führen häufig dazu, dass pyroklastische Ströme (hochtemperierte Gemische aus vulkanischen Partikeln und Gasen) ins Meer gelangen. Doch das endgültige Schicksal dieser Ströme und ihre Auswirkungen auf die Unterwasserwelt sind nur unzureichend dokumentiert. Jüngste Studien zu den Erzeugnissen des Ausbruchs des Hunga-Tonga-Vulkans im Pazifik im Jahr 2022 unter Wasser haben gezeigt, dass die Fortsetzungen solcher Ströme sich mit hoher Geschwindigkeit unter Wasser fortbewegen, den Meeresboden erodieren, Kabelnetze auf dem Meeresboden beschädigen und Unterwasserascheablagerungen hinterlassen können. Das Ausmaß, in dem diese Prozesse ablaufen können, war bisher jedoch nicht vollständig bekannt.
Der Ausbruch des Kos-Vulkans im östlichen griechischen Vulkanbogen vor 161.000 Jahren hinterließ eine dicke Ascheschicht auf den Kos-Inseln (das Kos-Plateau-Tuff) und seine pyroklastischen Ströme überquerten die Küstenlinie. Das Gesamtvolumen des ausgestoßenen Magmas war zehnmal größer als das des Hunga-Tonga-Vulkans. Bislang war jedoch völlig unbekannt, welche Auswirkungen die pyroklastischen Ströme auf die Unterwasserwelt hatten. Jüngste Bohrungen in den Meeresbodensedimenten nordöstlich von Santorin im Rahmen der IODP-Expedition 398 haben nun gezeigt, dass die pyroklastischen Ströme des Kos-Ausbruchs unerwartet große Effekte mit sich brachten. Beim Eintritt ins Meer vermischten sie sich mit dem Wasser und verwandelten sich in kalte Stoffgemische aus Asche und Wasser.
Diese Suspensionen flossen dann über 140 Kilometer lang über geringe Gefälle des Meeresbodens, bis sie nordöstlich von Santorin auf eine Reihe tiefer, durch Verwerfungen definierter Unterwasserbecken trafen, wo sie sich ansammelten und ihre Fracht an suspendierter Asche an einigen Stellen in einer Dicke von 200 bis 300 Metern ablagerten. Da die Partikel im Aschebett an der Basis am größten und an der Oberfläche am kleinsten sind, wird das Megabett als Ablagerung eines einzigen Ereignisses interpretiert: Der Vulkanausbruch auf Kos, gefolgt von einer möglicherweise mehrere Wochen bis Monate andauernden Remobilisierung der Primärablagerung stromaufwärts Die Abtragung des Meeresbodens durch die Strömungen während ihrer Ablagerung wird durch große Mengen an Gesteinsfragmenten und Fragmenten von Meeresorganismen wie Korallen an der Basis des Aschebetts belegt.
Hunderte Meter dicke Ascheschichten wurden bereits zuvor in alten Unterwasser-Sedimentablagerungen beschrieben, die über den Meeresspiegel angehoben wurden. Die aktuelle Entdeckung ist jedoch das erste Beispiel für eine dicke Unterwasser-Ascheablagerung aus pyroklastischen Strömen einer jungen (quartären) Eruption, die durch traditionelle Studien an Land gut charakterisiert wurde.
Das Unterwasser-Aschebett aus dem Ausbruch des Kos-Plateau-Tuffs wurde während der IODP-Expedition 398 in der Ägäis durch Tiefbohrungen entdeckt und ist in die Unterwasser-Ausflüsse des nahe gelegenen Vulkans Santorin eingebettet. Trotz der viel größeren Entfernung zu Kos ist die Unterwasserasche des Kos-Plateaus viel mächtiger als die Aschebetten des nahe gelegenen Santorin, was zeigt, wie groß der Ausbruch von Kos war, nämlich signifikant größer als bisher bekannt: mehr als 200 Kubikkilometer ausgestoßene Asche, wenn man das neue Unterwasser-Aschebett zum Volumen der bisher bekannten Ascheablagerungen auf Kos und den benachbarten Inseln hinzurechnet. 
Die Studie beleuchtet den Transport großer Mengen vulkanischer Asche über den Meeresboden rund um explosive Inselvulkane. Sie verändert die Sichtweise auf die potenziell großen, verborgenen Eruptionen von vulkanischen Inselbögen und die assoziierte Fähigkeit von Unterwasserströmen, vulkanische Asche weit von der Eruptionsquelle entfernt zu verteilen. Das große Volumen und die große Ausdehnung der Unterwasserasche des Kos-Plateau-Tuffs deuten darauf hin, dass die Volumina einiger anderer explosiver Eruptionen von Inselvulkanen möglicherweise unterschätzt wurden. Während der Schwerpunkt üblicherweise auf den Auswirkungen großer explosiver Eruptionen auf das Land und die Atmosphäre liegt, veranschaulicht die vorliegende Studie die enormen, aber weitgehend unsichtbaren Auswirkungen großer explosiver Vulkanausbrüche auf die Unterwasserwelt.

 
Expedition in Kürze:

Die Tiefbohrungsexpedition wurde vom wissenschaftlichen Betreiber der JOIDES Resolution Science Operator (JRSO) im Rahmen von IODP durchgeführt. IODP war ein mehrere Jahrzehnte umfassendes internationales Forschungsprogramm, das von 22 Nationen unterstützt wurde und dessen Ziel es war, die in den Sedimenten und Gesteinen des Meeresbodens aufgezeichnete Geschichte und Struktur der Erde zu erforschen und die Umwelt unter dem Meeresboden zu beobachten. Die Expedition 398 war besetzt mit 32 Wissenschaftler:innen aus neun Ländern, die über Fachkenntnisse in verschiedenen geowissenschaftlichen Disziplinen verfügten. Privatdozent Dr. Steffen Kutterolf, Vulkanologe am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, übernahm dabei eine der beiden wissenschaftlichen Leitungspositionen. 

Steffen Kutterolf vor Meer

GEOMAR-Vulkanologe Steffen Kutterolf, einer der beiden wissenschaftlichen Leiter der Expedition, beobachtet den Sonnenuntergang vom Hubschrauberlandeplatz aus. Foto: Erick Bravo / IODP, JRSO

Zwei Wissenschaftler:innen beschreiben Bohrkerne

Carole Berthod (Sedimentologin/Vulkanologin, Université Paris Cité, Frankreich) und Ralf Gertisser (Sedimentologe/Vulkanologe, Keele University, Großbritannien) arbeiten an Beschreibungen von Bohrkernen. Foto: Jonas Preine / IODP

JOIDES Resolution und Santorini

Die JOIDES Resolution mit dem Vulkan Santorini im Hintergrund. Foto: Thomas Ronge / IODP, JRSO

Luftaufnahme der JOIDES Resolution

Eine Luftaufnahme der JOIDES Resolution bei Nacht und die Reflexion bunter Lichter auf der Ägäis. Foto: Thomas Ronge / IODP, JRSO

Grafik zum Ausbruch des Kos-Vulkans

Grafik, die den Ausbruch des Kos-Vulkans vor 161.000 Jahren zeigt. Die pyroklastischen Ströme aus dem Ausbruch gelangen ins Meer und verwandeln sich durch die Mitnahme von Meerwasser in fließende Suspensionen aus Vulkanasche und Wasser. Diese bewegen sich dann über den Meeresboden mehr als 140 Kilometer westwärts zu den Unterwasserbecken nordöstlich von Santorin. Pyroklastische Ströme bewegen sich auch über Land, und Vulkanasche wird durch atmosphärische Winde nach Osten geweht. Die Zahlen geben die durch jeden Prozess verstreuten Aschevolumina an. Grafik: IODP

Die Teilnehmenden der Expedition 398

Die Teilnehmenden der Expedition 398 genießen die Aussicht, als die JOIDES Resolution in die Caldera von Santorin einfährt. Foto: Elisabetta Olivo / IODP, JRSO

Wellenkämme an einem windigen Tag

Wellenkämme an einem windigen Tag während der Fahrt zum ersten Standort der Expedition 398. Im Hintergrund ist die griechische Insel Kythira zu sehen. Foto: Erick Bravo / IODP, JRSO