Die Rennsegelyacht Ambersail-2 sammelte Proben von Mikroplastik. Foto: Sailing Energy/The Ocean Race
Filter mit Mikroplastik-Faser. Foto: Aaron Beck, GEOMAR
Analyse der Mikroplastik-Proben am GEOMAR. Foto: Aaron Beck, GEOMAR
Karte zur Verbreitung der Mikroplastik-Proben. Grafik: The Ocean Race
Installation des Messgeräts auf der Rennsegelyacht AkzoNobel Ocean Racing. Foto: Rosalin Kuiper/Akzonobel Ocean Racing

„The Ocean Race“ entdeckt immense Verbreitung von Mikrofasern in den europäischen Meeren

Analysen des GEOMAR von Proben, die während einer europaweiten Regatta gewonnen wurden, zeigen besondere Belastung der Ostsee

15.12.2021/Kiel/Alicante. Während einer europaweiten Regatta im Rahmen des „Ocean Race“ sammelten zwei Rennyachten Mikroplastik in der Ost- und Nordsee sowie im Ärmelkanal, Atlantik und Mittelmeer. Ein weiteres Boot erfasste wichtige Indikatoren für den Klimawandel. Analysen des GEOMAR zeigten, dass die Ostsee stärker als andere Regionen von Mikroplastik belastet ist. Hauptbestandteil sind Mikrofasern, die besonders leicht von Meereslebewesen aufgenommen werden.

36 Wasserproben, die in ganz Europa entnommen wurden, darunter in der Ostsee, im Ärmelkanal, entlang der Atlantikküste und im Mittelmeer, enthielten Mikrofasern – winzige Kunststofffasern, die durch die Herstellung, das Waschen und das Tragen synthetischer Kleidung in die Umwelt gelangen. Die Fasern stammen auch von Autoreifen, die nach starken Regenfällen und Abflüssen ins Meer gelangen, sowie von zerstörten Fanggeräten und Leinen.

Die Daten, die von den Segelteams der ersten Ausgabe des The Ocean Race Europe erhoben wurden, zeigen, dass die europäischen Meere im Durchschnitt 139 Mikroplastikpartikel pro Kubikmeter enthalten. Bei 83 Prozent dieser Partikel handelt es sich um Mikrofasern, bei den übrigen um Fragmente, die aus dem Abbau größerer Plastikteile wie Plastikflaschen, Verpackungen und Mikroperlen in Toilettenartikeln stammen. Drei der Proben – zwei aus dem Ärmelkanal und eine aus dem Mittelmeer – enthielten ausschließlich Mikrofasern.

Das „Ocean Race“ hat bei der Weltumsegelung in den Jahren 2017 bis 2018 die Verbreitung von Mikroplastik untersucht – eine bis dahin einmalige Verbindung zwischen Regatta und Wissenschaft. In diesem Sommer taten sich die Veranstalter mit dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und der Universität Utrecht zusammen, um im Rahmen einer europaweiten Regatta mehr über Herkunft und Beschaffenheit des Mikroplastiks herauszufinden.

„Die Daten zeigen deutlich, dass Mikroplastik im Ozean allgegenwärtig ist und dass überraschenderweise der Hauptbestandteil dieses Mikroplastiks Mikrofasern sind“, fasst Dr. Aaron Beck, Meereschemiker am GEOMAR, zusammen. Er koordinierte die Analyse der Plastikproben. „Bisherige Forschungsarbeiten konzentrierten sich in der Regel auf den Nachweis von Fragmenten, nicht von Fasern. Daher sind diese neuen Daten von großer Bedeutung. Sie unterstreichen den Wert von Kooperationen mit Partnern wie dem Ocean Race, die uns helfen, die Zusammensetzung und Verteilung von Mikroplastik an der Meeresoberfläche besser nachzuvollziehen.“

Die Daten tragen zur Entwicklung einer Karte von Plastik im Ozean bei und helfen zu verstehen, wie Mikroplastik in die marinen Ökosysteme gelangt. Mikrofasern stellen ein besonderes Risiko für die biologische Vielfalt im Ozean dar, weil sie von allen Mikroplastik-Arten am häufigsten von Meerestieren gefressen werden.

Das „Ocean Race Europe“ fand im Mai und Juni 2021 statt und führte von Lorient im Nordwesten Frankreichs und nach Genua in Italien. Daten wurden außerdem während des „Prologs“ erfasst, bei dem die Boote von Klaipeda in Litauen aus über Nordeuropa und durch den Ärmelkanal zum Startpunkt des Rennens segelten. Zwei Teams, Ambersail-2 und AkzoNobel Ocean Racing, sammelten Proben von Mikroplastik, während ein drittes Boot, das 11th Hour Racing Team, Messungen von Kohlendioxid (CO2), Meerestemperatur, pH-Wert und Salzgehalt vornahm – Schlüsselindikatoren für den Klimawandel.

Die Auswertungen zeigen, dass die Ostsee mit 230 Partikeln pro Kubikmeter die höchste Mikroplastikbelastung in Europa aufweist, doppelt so viel wie das Mittelmeer mit 112 Partikeln pro Kubikmeter, das als Hotspot der Plastikverschmutzung gilt.

„Die große Menge an Mikroplastik in der Ostsee im Vergleich zum Mittelmeer ist unerwartet“, betont Dr. Aaron Beck vom GEOMAR. „Faktoren wie die Jahreszeit, zu der die Daten erhoben werden, können sich auf die Verteilung von Mikroplastik auswirken. Je mehr Daten wir aus verschiedenen Gebieten und Jahreszeiten sammeln können, desto besser können wir verstehen, woher das Plastik kommt und wohin es gelangt.“

Der Ozean spielt bei der Klimaregulierung eine äußerst wichtige Rolle. Er hat seit den 1970er Jahren mehr als 90 Prozent der vom Menschen verursachten überschüssigen Wärme absorbiert und nimmt ein Viertel des vom Menschen verursachten Kohlendioxids auf, was dazu beiträgt, den Klimawandel wirksam einzudämmen. Dies führt jedoch auch dazu, dass der Ozean saurer wird – was sich ebenfalls nachteilig auf das Meeresleben auswirkt.

Die Messungen des gelösten CO2, die während des Ocean Race Europe vom 11th Hour Racing Team vorgenommen wurden, flossen in den Surface Ocean Carbon Dioxide Atlas (SOCAT) ein, der Daten für das Global Carbon Budget liefert, eine jährliche Bewertung des CO2, die als Grundlage für Ziele und Prognosen zur Reduzierung des Kohlenstoffs dient. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Wissenschaft den CO2-Gehalt im Ozean kennen, um ein genaues Budget zu erstellen und die Welt auf Kurs zu halten, um das Ziel des Pariser Abkommens einzuhalten, die globale Erwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

Die CO2-Daten wurden auch von EuroSea analysiert, einem von der Europäischen Kommission finanzierten Programm zur Verbesserung der Meeresbeobachtungs- und -vorhersagesysteme. Es wurde festgestellt, dass der Kohlendioxidgehalt im Mittelmeerraum am höchsten ist, was auf warme Temperaturen und sehr wenig Wind zurückzuführen ist. Der CO2-Gehalt hat in den letzten 200 Jahren stark zugenommen, und der Anstieg beschleunigt sich. Die im Mittelmeer gesammelten Daten sind besonders wertvoll, da sich die Veränderungen in dieser Region wie in einem „Miniatur-Ozean“ gut beobachten lassen. Die Geschwindigkeit des Wandels ist im Mittelmeer höher als in anderen Teilen des Ozeans, was einen Einblick in die zukünftigen Folgen des Klimawandels auf globaler Ebene ermöglicht.

Simon Weppe, wissenschaftlicher Leiter bei „The Ocean Race“ erklärt: „Der Klimawandel und die Plastikverschmutzung haben in nur wenigen Jahrzehnten zu einem drastischen Rückgang der Gesundheit der Ozeane geführt. Durch die einzigartige Zusammenarbeit zwischen Seglern und Meeresforschungsorganisationen im Rahmen von The Ocean Race tragen wir dazu bei, das Verständnis für diese gravierenden Probleme zu verbessern. Je mehr wir über das Ausmaß dieser Probleme wissen, desto besser sind wir in der Lage, Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu bekämpfen. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da der Zustand der Meere und das Schicksal des Planeten eng miteinander verknüpft sind. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Regierungen auf der Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse handeln, um unsere Ozeane und alles, was von ihnen abhängt, zu schützen und wiederherzustellen. Das Rennen um den Ozean ist ein Rennen, das wir gewinnen müssen.“

Die wissenschaftliche Datenerfassung des Ocean Race Europe wurde von der Dekade für Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen unterstützt, einer globalen Bewegung zur Erschließung des Wissens, das erforderlich ist, um den Kreislauf des Rückgangs der Meeresgesundheit umzukehren und bessere Bedingungen für eine nachhaltige Entwicklung der Ozeane zu schaffen. Das Wissenschaftsprogramm des Ocean Race wurde in Zusammenarbeit mit 11th Hour Racing entwickelt, dem ersten Partner des Ocean Race und Gründungspartner des Nachhaltigkeitsprogramms Racing with Purpose.

Rennsegelyacht Ambersail-2
Die Rennsegelyacht Ambersail-2 sammelte Proben von Mikroplastik. Foto: Sailing Energy/The Ocean Race
Mirkoplastikprobe
Filter mit Mikroplastik-Faser. Foto: Aaron Beck, GEOMAR
Junge Frau im Labor am GEOMAR.
Analyse der Mikroplastik-Proben am GEOMAR. Foto: Aaron Beck, GEOMAR
Karte zur Verbreitung der Mikroplastik-Proben.
Karte zur Verbreitung der Mikroplastik-Proben. Grafik: The Ocean Race
Eine junge Frau mit Messgerät auf der Rennsegelyacht AkzoNobel Ocean Racing .
Installation des Messgeräts auf der Rennsegelyacht AkzoNobel Ocean Racing. Foto: Rosalin Kuiper/Akzonobel Ocean Racing