AWI-Meereisphysiker haben ein Eiscamp aufgebaut, um die Schmelztümpel auf dem arktischen Meereis zu untersuchen. Foto: Marcel Nicolaus/Alfred-Wegener-Institut
Wissenschaftler bei der Wasserprobenentnahme unter dem arktischen Meereis. Foto: Stefan Hendrick/Alfred-Wegener-Institut

Treibhausgas auf Wanderschaft

Klimamodelle sollten auch das Wechselspiel zwischen Methan, Nordpolarmeer und Eis berücksichtigen

14.03.2018/Bremerhaven, Kiel. Mikroorganismen produzieren im Grund der flachen Meeresregionen nördlich von Sibirien aus Pflanzenresten Methan. Gelangt dieses Treibhausgas ins Wasser, kann es im Meereis eingeschlossen werden, das sich auf diesen Küstengewässern bildet. Damit kann Methan über Tausende von Kilometern durch das Nordpolarmeer transportiert und Monate später in völlig anderen Regionen wieder freigesetzt werden. Darüber berichten Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts und des GEOMAR in der aktuellen Ausgabe des Online-Journals Scientific Reports. Auch wenn der Klimawandel dieses Wechselspiel zwischen Methan, Meer und Eis stark beeinflusst, ist es in den Modellen der Klimaforscher bisher noch nicht berücksichtigt.

Nur ein paar hundert Kilometer entfernt vom Nordpol bahnt sich der Eisbrecher Polarstern vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) im August 2011 seinen Weg durch das eisbedeckte Nordpolarmeer. Im Wasser dort im hohen Norden untersucht die AWI-Geochemikerin Dr. Ellen Damm das Treibhausgas Methan. Bei einer Expedition ins gleiche Gebiet findet die Forscherin vier Jahre später erheblich weniger Methan in den Wasserproben, und kann so die Messungen vom gleichen Ort zu verschiedenen Zeiten vergleichen.

Diese Proben hat Ellen Damm gemeinsam mit Dr. Dorothea Bauch vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und weiteren Kollegen analysiert. Ziel war es, die Methanmengen regional zu erfassen und ihre Herkunft zu bestimmen. Indem sie Sauerstoff-Isotopen im Meereis messen, können die Wissenschaftlerinnen rückschließen, wann und wo das Eis entstanden ist. Dafür hatten sie an Orten der Wasserproben zusätzlich auch Meereisproben genommen. Ihr Ergebnis: Das Eis transportiert das Methan offensichtlich quer durch das Nordpolarmeer. Und das anscheinend von Jahr zu Jahr anders, berichten die beiden Forscherinnen gemeinsam mit Kollegen vom AWI, vom Finnischen Meteorologischen Institut in Helsinki und von der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau in der Online-Zeitschrift Scientific Reports. „Wir haben verschiedene Analysemethoden und die Expertise der  Kollegen so erfolgeich kombiniert, um ein umfassendes Bild vom Methantransport in der Arktis zu erhalten. Es hat grossen Spass gemacht zu merken wie gut die Zusammenarbeit geklappt hat und gleichzeitig wie sie uns dabei inhaltlich vorangebracht hat“, betont Ko-Autorin Dr. Dorothea Bauch vom GEOMAR.

So stammten die Proben aus dem Jahr 2011 aus Meereis, das knapp zwei Jahre vorher, im Oktober 2009, in den Küstengewässern der Laptewsee weit im Osten Sibiriens seine lange Reise nach Norden begonnen hatte. Die deutlich geringeren Mengen an Treibhausgas der Proben aus dem Jahr 2015 waren gerade einmal halb so lang im Arktischen Ozean unterwegs. Dieses Eis hatte sich viel weiter draußen in tieferem Wasser auf dem Meer gebildet, wie die Analysen zeigten. In den Modellen der Klimaforscher aber spielt dieses Wechselspiel von Methan, dem Nordpolarmeer und dem dort schwimmenden Eis bisher keine Rolle.

Jedes Molekül Methan in der Luft treibt die Temperaturen 25-mal stärker in die Höhe als Kohlendioxid, das bei der Nutzung von Kohle, Erdöl und Erdgas in die Atmosphäre gelangt. Auch in der Arktis trägt daher Methan erheblich zur starken Erwärmung hoher nördlicher Breiten bei und verstärkt die globale Klimaerwärmung weiter. Es gibt also gute Gründe, sich den Methankreislauf im hohen Norden genauer anzuschauen.

Methan entsteht bei der Rinderzucht oder dem Anbau von Reis, aber auch in vielen anderen natürlichen Prozessen. So sammeln sich im Boden der flachen Laptewsee nördlich von Sibirien wie auch in anderen flachen Gewässern vor den arktischen Küsten Reste von Algen und anderem Pflanzenmaterial. Fehlt dort Sauerstoff, verdauen Mikroorganismen diese Biomasse und produzieren dabei Methan. Bisher berücksichtigen die Modellrechnungen noch zu wenig die Wege von Kohlenstoff und die Methanfreisetzung aus arktischen Regionen.

(Eine ausführliche Pressemitteilung zu diesem Thema auf den Webseiten des AWI)


Originalpublikation:
Damm, E., Bauch, D., Krumpen, T., Rabe, B., Korhonen, M., Vinogradova, E. and Uhlig, C.: “The Transpolar Drift conveys methane from the Siberian Shelf to the central Arctic Ocean”. Scientific Reports 2018, http://dx.doi.org/10.1038/s41598-018-22801-z

 

Kontakt:
Folke Mehrtens (AWI, Kommunikation und Medien), Tel.: +49 471 4831-2007, Folke.Mehrtens(at)awi.de

Jan Steffen (GEOMAR, Kommunikation und Medien), Tel.: +49 431 600 2811, presse(at)geomar.de

AWI-Meereisphysiker haben ein Eiscamp aufgebaut, um die Schmelztümpel auf dem arktischen Meereis zu untersuchen. Foto: Marcel Nicolaus/Alfred-Wegener-Institut
AWI-Meereisphysiker haben ein Eiscamp aufgebaut, um die Schmelztümpel auf dem arktischen Meereis zu untersuchen. Foto: Marcel Nicolaus/Alfred-Wegener-Institut
Wissenschaftler bei der Wasserprobenentnahme unter dem arktischen Meereis. Foto: Stefan Hendrick/Alfred-Wegener-Institut
Wissenschaftler bei der Wasserprobenentnahme unter dem arktischen Meereis. Foto: Stefan Hendrick/Alfred-Wegener-Institut