Mesoskalige und submesoskalige Strömungen im Ozean südlich von Afrika. Eine Momentanaufnahme der normalisierten relativen Wirbelstärke an der Oberfläche (ein Maß für die Rotation und die Turbulenz) aus einer numerischen Simulation mit einer horizontalen Auflösung von 1/60°. Grafik: Arne Biastoch, Franziska Schwarzkopf, GEOMAR

Phytoplanktonblüte, beobachtet von den Satelliten Aqua MODIS und Landsat 8 OLI am 23. Juli 2018. Credit: NASA

Ein Unterwasser-Roboter wird für den Einsatz im Agulhas-Strömungssystem vorbereitet. Foto: Johan Edholm, Universität Göteborg

Unterwasser-Roboter können für Missionen von sechs bis zwölf Monaten eingesetzt werden. Sie können bis zu 1000 Meter tief tauchen, um wichtige Parameter wie Meeresströmungen, Temperatur, Salzgehalt, Chlorophyll und Sauerstoff zu messen. Foto: Marcel du Plessis, Universität Göteborg

Das französische Forschungsschiff MARION DUFRESNE II im Ozean südwestlich von Afrika während einer Forschungsreise unter der Leitung von Professor Dr. Sabrina Speich. Foto: Sabrina Speich, LMD und ENS.

WHIRLS: Kleine Ozeanwirbel mit großen Auswirkungen

Internationales Forschungs-Team erhält ERC Synergy Grant für interdisziplinäres Projekt zu Auswirkungen kleinräumiger Ozeanprozesse auf Klima und Artenvielfalt

26.10.2023/Kiel. Kleinräumige Ozeanprozesse spielen eine wichtige Rolle für den Austausch von Wärme und Kohlenstoff zwischen dem Ozean und der Atmosphäre. Sie beeinflussen einerseits die Fähigkeit des Ozeans, den Klimawandel abzuschwächen, und andererseits die Art und Weise, wie der Ozean vom Klimawandel betroffen ist. Das vom Europäischen Forschungsrat geförderte Projekt WHIRLS wirft einen detaillierten Blick auf solche kleinräumigen Prozesse und deren Auswirkungen auf das Klima, die marine Biogeochemie und die Artenvielfalt. Physikalische Ozeanographen mit Spezialisierung auf Modellierung und Beobachtung sowie Biogeochemiker aus Deutschland, Frankreich, Schweden und Südafrika arbeiten eng zusammen, um das Verständnis wichtiger Details im Ozeansystem und die Vorhersage künftiger Veränderungen der Meere und des Klimas zu verbessern.

Wärme und Kohlenstoff sind die wichtigsten Faktoren, die das regionale und globale Klima beeinflussen: Der Ozean absorbiert enorme Mengen an Wärme und begrenzt dadurch die Auswirkungen der globalen Erwärmung. Wenn er Wärme an die Atmosphäre abgibt, wird das Klima wärmer und feuchter – und umgekehrt. Kohlenstoff, der in den Ozean gelangt, wird von den Meeresströmungen verteilt und vom Phytoplankton aufgenommen. Diese winzigen Pflanzen bilden die Grundlage des marinen Nahrungsnetzes und sind für die Artenvielfalt im Meer von entscheidender Bedeutung. Außerdem wird der im Ozean gespeicherte Kohlenstoff über Hunderte von Jahren der Atmosphäre entzogen, was ebenfalls zur Abschwächung des Klimawandels beiträgt.

Der Austausch von Wärme und Kohlenstoff zwischen dem Ozean und der Atmosphäre sowie ihre Verteilung innerhalb des Ozeans wird von größeren Strömungen, kleineren Wirbeln – und von noch kleinräumigeren Zirkulationsmustern bestimmt, im Englischen als „Whirls“ bezeichnet. Im Rahmen des Projekts WHIRLS, das der Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) nun durch einen der renommierten Synergy Grants fördert, sollen diese kleinräumigen Prozesse untersucht werden. Zu diesem Zweck verfolgen Professor Dr. Arne Biastoch vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Professorin Dr. Sabrina Speich von der Ecole Normale Supérieure in Paris, Frankreich, Professor Dr. Sebastiaan Swart von der Universität Göteborg, Schweden, und Professorin Dr. Sarah Fawcett von der Universität Kapstadt, Südafrika, einen synergistischen und interdisziplinären Ansatz. WHILRS wird über einen Zeitraum von sechs Jahren mit fast 12 Millionen Euro finanziert.

„Bei WHIRLS geht es im Wesentlichen um kleinräumige Prozesse mit großräumigen Auswirkungen“, fasst Professor Dr. Arne Biastoch, Ozeanmodellierer am GEOMAR und Koordinator des neuen ERC-geförderten Projekts, zusammen. „Diese Wirbel sind Prozesse auf Skalen von weniger als 100 Kilometern. Das mag immer noch groß klingen, aber solche Muster sind in Anbetracht des globalen Ozeans klein. In Ozeanbeobachtungen und Klimamodellen werden sie derzeit nur unzureichend aufgelöst.“

Das Projekt nutzt neueste Technologien zur Ozeanbeobachtung – von schiffsgestützten Messungen bis hin zum Einsatz von autonomen Geräten und Satelliten. Es schafft den Sprung von der zweidimensionalen Perspektive zu einer dreidimensionalen Darstellung aller relevanten physikalischen Prozesse, betrachtet auf Zeitskalen von Tagen bis hin zu Jahreszeiten. WHIRLS verfolgt die Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre, der Oberfläche und dem Inneren des Ozeans. Außerdem untersucht das Projekt die vertikale Durchmischung sowie die Verteilungswege von Wärme, Nährstoffen und Kohlenstoff im Ozean.

Die gesammelten Daten werden verwendet, um hochauflösende Modelle zu entwerfen, zu überprüfen und in die Lage zu versetzen, kleinräumige Dynamiken und ihre Auswirkungen abzubilden. Damit reagieren sie auf die dringende Notwendigkeit, Prozesse auf einer Skala von Kilometern in den Erdsystemmodellen darzustellen. Die Ergebnisse dieser Modellsimulationen verbessern Projektionen und Vorhersagen zum Klimawandel. Damit leistet WHIRLS einen Beitrag zur Dekade der Meeresforschung für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und hilft, weitere Prioritäten in der europäischen und internationalen Forschung zu adressieren.

Die Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf die energiereichste Region der Welt, das Agulhasstromsystem um Südafrika. „Das Agulhasstromsystem ist nicht nur wegen seiner starken Zirkulation, der intensiven Wechselwirkung zwischen Ozean und Atmosphäre in Bezug auf Wärme und Kohlenstoff, sondern auch wegen der besonders hohen Produktivität und Vielfalt seines marinen Ökosystems einzigartig“, erklärt Professorin Dr. Sarah Fawcett, biogeochemische Ozeanographin an der Universität Kapstadt. „Es spielt auch eine Schlüsselrolle in der globalen Ozeanzirkulation und hat einen starken Einfluss auf das regionale und globale Klima.“

„Das GEOMAR ist stolz darauf, mit dem Projekt WHIRLS ein weiteres durch einen ERC Synergy Grant gefördertes Projekt zu koordinieren und so zu einem besseren Verständnis zukünftiger Veränderungen im Ozean und im Klimasystem beitragen zu können. Die Förderung betont unsere führende Rolle in der Spitzenforschung und würdigt die international anerkannte Expertise von Arne Biastoch in der Ozean- und Klimamodellierung“, sagt GEOMAR-Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes. „Besonders freue ich mich über die internationale Besetzung des Projekts in vier verschiedenen Ländern auf zwei Kontinenten. Dies unterstreicht eindrucksvoll die Internationalität der Forschung des GEOMAR. Herzlichen Glückwunsch an die vier beteiligten Forschenden!“

Hintergrund: European Research Council (ERC) Grants

Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) wurde 2007 von der Europäischen Union gegründet und ist die wichtigste europäische Organisation zur Förderung exzellenter Pionierforschung. Der ERC fördert kreative Forschende aller Nationalitäten und jeden Alters, die Projekte in ganz Europa durchführen. Der ERC bietet vier zentrale Förderprogramme an: Starting Grants (für Wissenschaftler:innen, die erst kürzlich promoviert haben), Consolidator Grants (für Wissenschaftler:innen in der mittleren Phase ihrer Karriere), Advanced Grants (für erfahrene Wissenschaftler:innen) und Synergy Grants (für Projekte, die Fachwissen mehrerer Wissenschaftler:innen aus verschiedenen Bereichen kombinieren). Die Synergy Grants unterstützen die Zusammenarbeit von Forschenden, die gemeinsam ehrgeizige Fragestellungen angehen, die von den einzelnen Beteiligten und ihren Teams allein nicht gelöst werden könnten. Diese Projekte ermöglichen wesentliche Fortschritte an den Grenzen des Wissens, zum Beispiel durch die gegenseitige Befruchtung von Wissenschaftsgebieten, durch neue produktive Forschungsansätze oder neue Methoden und Techniken, einschließlich unkonventioneller Methoden. Aus 395 Anträgen ausgewählt, erhielten jetzt 37 Projekte von 135 Forschenden aus 114 Einrichtungen in 19 Ländern Zusagen über eine Förderung durch Synergy Grants.

Grafik: Ein Zoom in die Studienregion: Links die von einem globalen Modell erfasste Dynamik auf der globalen Mesoskala des Ozeans (10-100 Kilometer), Quelle: MIT/JPL and NASA/Goddard Space Flight Center Scientific Visualization Studio. In der Mitte aktuelle Modellierungsmöglichkeiten, die feinere Skalen (Submeso-Skala: 1-10 Kilometer) simulieren, Quelle: Franziska Schwarzkopf, Arne Biastoch, GEOMAR. Rechts von Satelliten beobachtete Skalen, die die Phytoplanktonverteilung an der Oberfläche beeinflussen, Quelle: NASA

Mesoskalige und submesoskalige Strömungen im Ozean südlich von Afrika. Eine Momentanaufnahme der normalisierten relativen Wirbelstärke an der Oberfläche (ein Maß für die Rotation und die Turbulenz) aus einer numerischen Simulation mit einer horizontalen Auflösung von 1/60°. Grafik: Arne Biastoch, Franziska Schwarzkopf, GEOMAR

Mesoskalige und submesoskalige Strömungen im Ozean südlich von Afrika. Eine Momentanaufnahme der normalisierten relativen Wirbelstärke an der Oberfläche (ein Maß für die Rotation und die Turbulenz) aus einer numerischen Simulation mit einer horizontalen Auflösung von 1/60°. Grafik: Arne Biastoch, Franziska Schwarzkopf, GEOMAR

Phytoplanktonblüten, beobachtet von den Satelliten Aqua MODIS und Landsat 8 OLI am 23. Juli 2018. Credit: NASA

Phytoplanktonblüte, beobachtet von den Satelliten Aqua MODIS und Landsat 8 OLI am 23. Juli 2018. Credit: NASA

Ein Unterwasser-Roboter wird für den Einsatz im Agulhas-Strömungssystem vorbereitet. Foto: Johan Edholm, Universität Göteborg

Ein Unterwasser-Roboter wird für den Einsatz im Agulhas-Strömungssystem vorbereitet. Foto: Johan Edholm, Universität Göteborg

Unterwasser-Roboter können für Missionen von sechs bis zwölf Monaten eingesetzt werden. Sie können bis zu 1000 Meter tief tauchen, um wichtige Parameter wie Meeresströmungen, Temperatur, Salzgehalt, Chlorophyll und Sauerstoff zu messen. Foto: Marcel du Plessis, Universität Göteborg

Unterwasser-Roboter können für Missionen von sechs bis zwölf Monaten eingesetzt werden. Sie können bis zu 1000 Meter tief tauchen, um wichtige Parameter wie Meeresströmungen, Temperatur, Salzgehalt, Chlorophyll und Sauerstoff zu messen. Foto: Marcel du Plessis, Universität Göteborg

 Das französische Forschungsschiff MARION DUFRESNE II im Ozean südwestlich von Afrika während einer Forschungsreise unter der Leitung von Professor Dr. Sabrina Speich. Foto: Sabrina Speich, LMD und ENS.

Das französische Forschungsschiff MARION DUFRESNE II im Ozean südwestlich von Afrika während einer Forschungsreise unter der Leitung von Professor Dr. Sabrina Speich. Foto: Sabrina Speich, LMD und ENS.