Die Mesokosmos-Versuchsanlage am IFM-GEOMAR (J. Wohlers, IFM-GEOMAR); Untere Bildreihe (von links nach rechts): Angefärbte Bakterien (E. Zöllner, IFM-GEOMAR) und eine der typischen Kieselalgenarten des Frühjahrs (A. Stuhr, IFM-GEOMAR) unter dem Mikroskop, Probennahme aus den AQUASHIFT-Mesokosmen (E. Zöllner).

Winzig, aber wichtig!

Kieler Meereswissenschaftler zeigen Einfluss von Klimaerwärmung auf CO2-Aufnahme durch marine Kleinstlebewesen

06.04.2009, Kiel – Schmelzendes Eis an den Polen, ein ansteigender Meeresspiegel, schwere Unwetter: Die Zeichen für den Klimawandel werden deutlicher. Biologen des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) haben nun nachgewiesen, dass das Plankton bei einer Erwärmung der Ozeane deutlich weniger CO2 aufnimmt und dadurch möglicherweise selbst Einfluss auf den Klimawandel nehmen könnte. Die entsprechende Studie erscheint diese Woche in der „Early Edition“ der renommierten „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“.

Die Meere spielen eine wichtige Rolle im Klimasystem der Erde und haben, durch die Aufnahme von rund einem Drittel des bisher vom Menschen produzierten Treibhausgases Kohlendioxid (CO2), das Voranschreiten des Klimawandels deutlich abgebremst. In wie weit sie dies auch in Zukunft tun können, hängt von verschiedenen physikalischen und chemischen Prozessen ab. Und, wie Wissenschaftler des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) in Zusammenarbeit mit Kollegen des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven und des Instituts für Ostseeforschung in Warnemünde jetzt an natürlichen Planktongemeinschaften nachweisen konnten, auch von biologischen Faktoren.

CO2 dringt von der Luft zunächst in die obersten Wasserschichten ein. Von dort muss es in die Tiefe transportiert werden, denn sonst wäre das Oberflächenwasser schnell gesättigt und könnte nicht weiteres Kohlendioxid aufnehmen. „Einer der Mechanismen, die für diesen Transport in tiefere Wasserschichten sorgen, ist die sogenannte biologische Kohlenstoffpumpe“, erklärt Julia Wohlers vom IFM-GEOMAR, Erstautorin der gerade in PNAS erschienenen Studie. Während des Frühjahrs, wenn die Temperaturen langsam steigen und mehr Tageslicht zur Verfügung steht, vermehrt sich das pflanzliche Plankton nahe der Wasseroberfläche und baut dabei aus CO2 und Nährstoffen eigene Biomasse auf. Nach Absterben dieser pflanzlichen Zellen sinkt ein Teil der gebildeten Biomasse in die Tiefe ab – inklusive des in ihm gebundenen Kohlenstoffs.

In einem groß angelegten Versuch sind die Kieler Wissenschaftler der Frage nachgegangen, wie sich dieses System verändert, wenn die Wassertemperaturen infolge des Klimawandels steigen. Dazu haben sie in acht Kunststoffbecken mit je 1400 Liter Fassungsvermögen natürliche Planktongemeinschaften unterschiedlichen Temperaturen ausgesetzt, die sich an den Vorhersagen des Weltklimarates IPCC bis 2100 orientierten. In diesen „Ökosystemen im Kleinformat“ wurde über einen Monat hinweg die Entwicklung der sogenannten Frühjahrsblüte des Planktons verfolgt. „Wie erwartet beschleunigten sich die biologischen Stoffwechselraten auf allen Ebenen der Planktongemeinschaft mit steigender Temperatur. Worauf wir nicht vorbereitet waren: Bei höheren Temperaturen wurde bis zu einem Drittel weniger CO2 vom Plankton aufgenommen. Dies könnte zu einer Schwächung der biologischen Kohlenstoffpumpe führen“, erklärt der Leiter der Studie Prof. Dr. Ulf Riebesell vom IFM-GEOMAR.

Der Grund für die Schwächung: Während der Aufbau der Biomasse durch Photosynthese des pflanzlichen Planktons nur in geringem Maße durch die Erwärmung beeinflusst wird, nimmt dessen Abbau durch Bakterien bei höheren Temperaturen weitaus stärker zu. Dadurch wird ein größerer Anteil der pflanzlichen Biomasse zersetzt, bevor sie in tiefere Wasserschichten absinken kann. Somit verbleibt insgesamt mehr Kohlendioxid in den oberflächennahen Wasserschichten, die infolgedessen weniger CO2 aus der Luft aufnehmen können.

„Die Studie zeigt deutlich, dass man den biologischen Faktor in Klimamodellen in Zukunft stärker berücksichtigen sollte“, betont Julia Wohlers. Für eine genaue Abschätzung der Größenordnungen ist es allerdings noch etwas zu früh. „Es gibt in diesem Bereich einfach zu wenige Daten. Hier besteht dringend weiterer Forschungsbedarf.“, sagt Wohlers.

Hintergrundinformationen:

Der Versuch zu den Auswirkungen von Ozeanerwärmung auf den marinen Kohlenstoffkreislauf während der Frühjahrsblüte erfolgte im Rahmen des Schwerpunktprogramms 1162 „AQUASHIFT“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ziel des von Prof. Ulrich Sommer (IFM-GEOMAR) koordinierten Schwerpunktprogramms ist, die Wirkungen des vorhergesagten Klimawandels auf aquatische Ökosysteme zu untersuchen.

Originalarbeit:

Wohlers, J., A. Engel, E. Zöllner, P. Breithaupt, K. Jürgens, H.-G. Hoppe, U. Sommer and U. Riebesell, 2009: Changes in biogenic carbon flow in response to sea surface warming. Proceedings of the National Academy of Sciences, „Early Edition“ www.pnas.org/content/early/recent .

Ansprechpartner:
Dr. Andreas Villwock (Öffentlichkeitsarbeit), Tel. 0431 / 600 2802, avillwock@geomar.de

Die Mesokosmos-Versuchsanlage am IFM-GEOMAR (J. Wohlers, IFM-GEOMAR); Untere Bildreihe (von links nach rechts): Angefärbte Bakterien (E. Zöllner, IFM-GEOMAR) und eine der typischen Kieselalgenarten des Frühjahrs (A. Stuhr, IFM-GEOMAR) unter dem Mikroskop, Probennahme aus den AQUASHIFT-Mesokosmen (E. Zöllner).
Die Mesokosmos-Versuchsanlage am IFM-GEOMAR (J. Wohlers, IFM-GEOMAR); Untere Bildreihe (von links nach rechts): Angefärbte Bakterien (E. Zöllner, IFM-GEOMAR) und eine der typischen Kieselalgenarten des Frühjahrs (A. Stuhr, IFM-GEOMAR) unter dem Mikroskop, Probennahme aus den AQUASHIFT-Mesokosmen (E. Zöllner).