GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
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Seit rund sechzig Jahren kann durch das Prinzip der Plattentektonik die Verteilung von Erdbeben und Vulkanismus auf der Erde erfolgreich beschrieben werden – trotzdem zeigen sich noch immer große Lücken in unserem Ver- ständnis über die tektonischen Prozesse, welche den Meeresboden formen. Selbst die Oberfläche des Mars konnte, bedingt durch das Fehlen jeglichen Ozeans, besser und „einfacher“ vermessen werden als der Meeresboden auf unserer Erde.
Aus der Sicht eines Erdwissenschaftlers sollte unser Planet eigentlich Ozean heißen anstatt Erde – nicht nur will er zu 70 Prozent von Wasser bedeckt ist, sondern auch, weil 60 Prozent seiner festen Oberfläche aus jener dünnen Kruste bestehen, die in einer einzigartigen „Gesteinsfabrik“ inmitten der Ozeane hergestellt wurde (aus: Jean Francheteau, Spektrum der Wissenschaft, 1983). Diese Fabriken sind die Mittelozeanischen Rücken (MOR), eine über 60.000 Kilo- meter lange „Gebirgskette“ in der Mitte der Ozeanischen Becken. Die MOR markieren die Grenze zwischen zwei starren Erdplatten, und wenn die Platten langsam auseinander gleiten, wird neue Erdkruste und somit neuer Meeresboden erzeugt. Die MOR sind alle 100-200 km entlang sogenannter Transformverwerfungen um 20 bis zu 900 km versetzt. Generell ragt junger und heißer Meeresboden sehr viel höher in die Wassersäule, so dass der Ozean über den MOR entsprechend der Theorie der Plattentektonik flacher sein sollte als in den benachbarten Tiefseebecken. Arbeiten am GEOMAR haben erst vor zwei Jahren gezeigt, dass sich die Transformverwerfungen in der Mitte der Ozeanbecken dies- bezüglich als Anomalien darstellen und somit den Vorhersagen der Plattentektonik trotzen.
Transformverwerfungen werden in den kommenden 5 Jahren am GEOMAR das Ziel intensiver Forschungsarbeiten im Rahmen eines „Advanced Grant“ des Europäischen Forschungsrats (ERC) sein. In dem Vortrag werden die Hinter- gründe der geplanten Forschungsaktivitäten dargestellt, Hindernisse bei der Erforschung der Tiefsee und offene Fragen angesprochen, und dargelegt, dass wir noch immer ein sehr limitiertes Verständnis über die Tiefsee haben.
Zeit: Mittwoch, 28. Juni 2023, von 10 bis 11 Uhr
Hörsaal des GEOMAR, Standort Ost | Wischhofstr. 1-3, 24148 Kiel
Prof. Dr. Ingo Grevemeyer
hat an der Universität Hamburg Geophysik studiert und dort 1994 am Institut für Geophysik promoviert. Er habilitierte 2003 am Fachbereich Geowissenschaften der Universität Bremen; seitdem ist er am GEOMAR angestellt und seit 2012 apl-Professor an der CAU.
Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Tiefen der Ozeane. Er forscht über geodynamische Prozesse an den Nahtstellen der Erdplatten, zum Aufbau der Erdkruste in den Ozeanbecken und er studiert Erdbebenprozesse. Dafür hat er an 37 Expeditionen teilgenommen, verbrachte 765 Tage auf See und war an der Analyse der Daten von mehr als 1.700 Ozeanbodenseismo- metern beteiligt.
Der Vortrag ist Teil der öffentlichen Vortragsreihe „WissenSchaffen“, die Ozeanforschung leicht verständlich präsentiert. Interessierte sind herzlich eingeladen, sich bei „WissenSchaffen“ über die Arbeiten des GEOMAR zu informieren.
Ansprechpartner:
Dr. Joachim Dengg (GEOMAR, Kommunikation und Medien), Tel.: 0431-600 4006, outreach(at)geomar.de
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