Bild des Monats: Dezember 2016
Mit Schwereloten auf der Spur der Ozeangeschichte
Wenn Meeresgeologen in die Vergangenheit der Ozeane reisen wollen, müssen sie dazu nur ein Stück Meeresboden betrachten: einen Sedimentkern. In ihm finden sie unterschiedliche Schichten, deren Alter sie aufgrund ihrer Lage und mit verschiedenen physikalischen Datierungsmethoden bestimmen können. Die „Lehre von der Schichtabfolge“, die Stratigraphie, hilft dabei, die Geschichte der Erde und Ozeane zu verstehen, das Klima zu rekonstruieren und andere geologische Problemstellungen zu beantworten.
Doch wie gelangen die Wissenschaftler an einen solchen Kern aus dem Meeresboden?
Dazu wird ein sogenanntes Schwerelot genutzt, wie es auf unserem Bild des Monats Dezember zu sehen ist. Das Schwerelot selbst besteht aus drei verschiedenen Komponenten. Zum einen ist dies ein Stahlrohr. Dieses kann bis zu 30 Meter lang sein. Wie lang das Rohr sein muss und kann, hängt zum einen von dem Meeresboden, den die Forscher untersuchen wollen, und der wissenschaftlichen Fragestellung ab. Außerdem spielt die Größe des Forschungsschiffs und der technischen Möglichkeiten an Bord eine Rolle. Auf FS POSEIDON beispielsweise kann ein bis zu zwölf Meter langes Lot gehändelt werden. In dem Stahlrohr befindet sich ein sogenannter PVC-Liner. Das ist ein Kunststoffrohr, in dem sich nach getaner Arbeit der Bohrkern befindet. Am unteren Ende ist der Liner mit einer Vorrichtung versehen, die verhindert, dass der Kern beim Hochziehen unten herausrutschen kann. Aufgrund ihres Aussehens wird diese als Apfelsine bezeichnet (siehe Bild). Das dritte Element schließlich ist ein Satz Gewichte, der sich oben auf dem Stahlrohr befindet und zwischen einer und acht Tonnen wiegt. Seine Aufgabe ist es, das Lot in den Boden zu treiben. Wie schwer das Gewicht sein muss, hängt davon ab, wie tief das Schwerelot in den Meeresboden eindringen soll. Dies ist Erfahrungssache. In einem neuen Gebiet werden deshalb oft ein paar Testkerne genommen durchgeführt, um den Reibungswiderstand des Materials auszuprobieren. Bei einem sandigen Boden beispielsweise, wie er in Küstengegenden vorkommt, ist der Widerstand höher, ein zu langes Rohr würde im Sand steckenbleiben und zur Seite kippen – der Bohrkern wäre völlig unbrauchbar. Deshalb werden in bisher unerforschten Gebieten erst einmal kürzere Rohre und weniger Gewichte verwendet.
Grundsätzlich vermessen die Forschenden den Meeresboden vorher bereits mit Sedimentecholoten , um dann entscheiden zu können, an welcher Stelle der Kern nun exakt gezogen werden soll. Danach wird das Schwerelot in die Nähe des Meeresbodens hinabgelassen. Dann heißt es an Deck „Fier weg!“ (was so viel bedeutet wie „schnell hinunterlassen“), der Bootsmann hakt die Winde aus, das Gerät fällt durch sein Eigengewicht in den Meeresboden und wird anschließend wieder hochgezogen. Dieser Vorgang kann von wenigen Minuten (zum Beispiel in der Ostsee) bis hin zu mehreren Stunden (in der Tiefsee) dauern. Sobald das Schwerelot sich wieder über der Wasseroberfläche befindet, wird es an Bord geholt. Dort wird der mit Sediment gefüllte Kunststoff-Liner aus dem Stahlrohr gezogen und in einen Meter lange Stücke zersägt, da der Sedimentkern in seiner vollen Länge nicht bewegt werden kann. Das Team beschriftet die Teilstücke und lagert sie für den Transport in Kisten. Im Forschungszentrum angekommen werden sie längs halbiert: Die eine Hälfte kommt ins Sedimentkernarchiv, die andere zur Untersuchung ins Labor, wo sie von den Wissenschaftlern weiter untersucht werden.
Wer wissen will, wie es sich anfühlt, bei einem Schwereloteinsatz live dabei zu sein, kann das auf unserem Blogportal Oceanblogs nachlesen.