Ozean- und Klimamodelle – Meeresforschung auf dem Trockenen

Wochenlange Expeditionen auf dem schier endlosen Ozean, Messungen durchführen, Proben gewinnen, die an Bord oder später im Labor an Land untersucht werden – das ist eine sehr wichtige Komponente der Meeres­forschung. Doch es gibt auch Forschende am GEOMAR, die selten oder gar nicht zur See fahren: Die Modellierer*innen. Sie beschreiben das Erdsystem, beziehungsweise Teile davon, mit Hilfe von Physik, die Grundlage für Modellsimulationen ist. Am GEOMAR wird dazu eine Reihe von Computermodellen für unterschiedliche Anwendungen benutzt, die ineinandergreifen und sich systematisch ergänzen.

 

Ozeanmodellierung

Der von der Meeresströmungen geleistete Transport von Masse und Energie ist von zentraler Bedeutung für natürliche Klimaschwankungen und für die vom Menschen verursachten Veränderungen im globalen Klimasystem. Die Forschungseinheit Ozeandynamik am GEOMAR nutzt dazu schwerpunktmäßig hochauflösende Ozeanmodelle und entwickelt sie in enger Kooperation mit anderen internationalen Forschungszentren weiter. Paradepferde sind die Modelle mit Auflösungen von 1/20 Grad – diese unterteilen ganze Ozeane in Boxen mit einer Kantenlänge von wenigen Kilometern. Diese Modelle gehören zu den weltweit leistungsfähigsten ihrer Art und können sogar kleinräumige Ozeanwirbel auflösen.

Die Kehrseite der Medaille: Pro Simulationsjahr werden teilweise bis zu 12 Stunden Rechenzeit auf nationalen Höchstleistungsrechnern benötigt. Flexibilität erlaubt die regionale Erhöhung der Auflösungen, das „Nesting“, bei dem einzelne Strömungssysteme wie das Golfstromsystem oder das Agulhasstromsystem vor Südafrika simuliert werden können. Hier sind Gitterweiten von 1/60 Grad mit einer Auflösung von einem bis zwei Kilometer möglich. Für Studien zum Klimawandel, aber auch für Untersuchungen zur Geschichte des Klimas gibt es gröber aufgelöste Versionen, die auch im Rahmen von gekoppelten Ozean-Atmosphäre Modellen benutzt werden.

 

Gekoppelte Klimamodelle

Wechselwirkungen im Klimasystem verursachen natürliche Klimaschwankungen, die sich über Zeiträume von Monaten bis Jahrhunderten abspielen. Modellstudien helfen den Forscher:innen dabei, diese natürlichen Klimaschwankungen besser zu verstehen und verlässlichere Abschätzungen über die zukünftige Entwicklung des Klimas zu geben. Zu einem Klimamodell gehören deswegen heute neben einer atmosphärischen und ozeanischen Komponente auch Meereis- und biogeochemische Komponenten, die interaktiv gekoppelt sind. Mit dem neuen flexiblen Kieler Klimamodellsystem FOCI kann die Auflösung in bestimmten Ozeanregionen wie dem Golfstromsystem im Nordatlantik oder dem Agulhasstrom­system im Bereich zwischen Südatlantik und Indischem Ozean erhöht werden, um den Einfluss der Ozeanwirbel auf großräumige Zirkulationsmuster in Atmosphäre und ­Ozean zu untersuchen. Simulationen mit diesen komplexen Modellen sind so aufwendig, dass sie nur auf den leistungsfähigsten Großrechnern möglich sind. Die Entwicklung dieser Modelle erfordert auch viel Kompetenz und Erfahrung. So wurde das Klimamodellsystem FOCI gemeinsam von den GEOMAR-Forschungseinheiten Maritime Meteorologie und Ozeandynamik mit nationalen und internationalen Partnern, wie zum Beispiel dem Max-Planck-Institut für ­Meteorologie in Hamburg oder dem europäischen NEMO-Konsortium aufgebaut.

 

 

Biogeochemische Modellierung

Nicht nur physikalische Prozesse haben Auswirkungen auf das Klima. Auch die Biologie greift direkt in die Kreisläufe von Kohlenstoff und anderen Elementen wie Stickstoff und Sauerstoff ein und wirkt insbesondere über die Auswirkungen auf atmosphärische Treibhausgaskonzentrationen direkt auf das Klima. Zusätzliches Kohlendioxid erwärmt nicht nur die Atmosphäre, sondern führt im Meerwasser zur Versauerung. Diese biogeochemischen Prozesse und ihre Wechselwirkungen mit marinen Ökosystemen werden am GEOMAR mit Hilfe von Modellierungen untersucht. Dafür werden ökologische und biogeochemische Modelle entwickelt, durch einen Vergleich mit Beobachtungen und Experimenten kalibriert und in die physikalischen Klimamodelle eingekoppelt. In den letzten Jahren wurde so ein deutlich verbessertes Verständnis des Kohlenstoffkreislaufs und der Sauerstoffversorgung im Ozean erreicht.