Beispiele zu Modellsimulationen

Wochenlange Expeditionen auf dem schier endlosen Ozean, Messungen durchführen, Proben gewinnen, die an Bord oder später im Labor an Land untersucht werden – das ist eine sehr wichtige Komponente der Meeres­forschung. Doch es gibt auch Forschende am GEOMAR, die selten oder gar nicht zur See fahren: Die Modellierer:innen der Forschungseinheit Ozeandynamik. Sie beschreiben das Erdsystem und Teile davon mit Hilfe von Modellsimulationen. Das Hauptziel ihrer Forschung ist, regionale Zustandsänderungen im Ozean als Folge von sich ändernder Klimabedingungen abzuschätzen – zum einen durch Verständnis der dynamischen Gründe und Mechanismen der ozeanischen Transportvariabilität auf zwischenjährlichen bis dekadischen Zeitskalen, zum anderen durch Identifizierung kritischer Prozesse, die in gekoppelten Klimamodellen aufgelöst werden müssen.

 

Ausbreitung und Vermischung von Meerwasser aus verschiedenen Ozeanregionen

Die Ausbreitungspfade von Meerwasser zwischen verschiedenen Ozeanregionen spielen eine wichtige Rolle, denn es werden unter anderem auch Wärme, CO2, Sauerstoff, Fischlarven und (Plastik-) Müll transportiert. In Ozean­modellen können ­solche Ausbreitungs­pfade mit Hilfe sogenannter Lagrangescher Analysen untersucht werden, bei denen virtuelle Partikel in der simulierten Strömung auf ihrem Weg durch den Ozean verfolgt werden. In den letzten Jahren sind am GEOMAR gemeinsam mit internationalen Partnern solche Methoden in hochauflösenden Ozean­modellen weiterentwickelt und für viele Studien eingesetzt worden.

Ein Paradebeispiel ist die Simulation der Ausbreitungspfade der globalen Umwälzzirkulation. Trotz einer wachsenden Zahl an Ozeanbeobachtungen gibt es bisher nicht genügend Daten, um die Gesamtheit des Strömungssystems abzubilden. Ozeanmodelle können hier helfen, allerdings kommt es dabei auf die räumliche Auflösung der Modelle an, da Teile der großskaligen Umwälz­zirkulation von kleinerskaligen Prozessen beeinflusst werden. Zum Beispiel wird der Wassertransport aus dem Indischen Ozean in den Atlantik in Modellen ohne mesoskalige Wirbel (10-100 km) überschätzt. Da Wasser aus dem Indischen Ozean im Allgemeinen wärmer und salzreicher ist als das aus dem Pazifik, beeinflusst das Verhältnis beider Wassertransporte die Temperatur und den Salzgehalt im Südatlantik und damit potenziell auch die Stärke und Stabilität der gesamten Umwälzbewegung. Die Variabilität der Wassertransporte aus dem Indischen Ozean und dem Pazifik sowie der Einfluss von Vermischungsprozessen sind daher Gegenstand aktueller Forschung.

 

Die Rolle der Ozonschicht im Klimasystem der Erde

Obwohl sich die Stratosphäre in einer Höhe von 10 bis 50 Kilometern befindet, spielt sie auf unterschiedliche Art und Weise eine Rolle für unser Leben auf der Erdoberfläche. Zum einen können Extremereignisse in der Stratosphäre bis in die unteren Atmosphärenschichten vordringen und dort das tägliche Wetter beeinflussen. Zum anderen befindet sich in der Stratosphäre  die Ozonschicht, welche als Schutz vor schädlicher UV-Strahlung wirkt. Mitte der 1980er Jahre wurde erkannt, dass einige industriell hergestellte Substanzen, wie FCKW, zur Zerstörung der Ozonschicht führen, besonders über der Antarktis, wo sich das sogenannte Ozonloch bildete. Die Gefahr des Ozonlochs wurde schnell erkannt und die Verwendung der verantwortlichen Substanzen schon zwei Jahre später reglementiert. Heute gibt es Indizien dafür, dass sich die Ozonschicht langsam erholt und sich bis Mitte dieses Jahrhunderts wieder schließen wird: eine Erfolgsgeschichte internationaler politischer Zusammenarbeit. Aber stratosphärisches Ozon ist nicht nur wichtig für die Absorption von UV-Strahlung, es hat auch einen Einfluss auf die Dynamik in der Atmosphäre. Schwankungen im Ozon beeinflussen die Lage des Jetstreams und können sich so auf Oberflächentemperaturen und Ozeanströmungen auswirken. 

Am GEOMAR werden unterschiedliche Aspekte der Wechselwirkungen zwischen Stratosphäre und Erdoberfläche mit Hilfe von gekoppelten Klimamodellen untersucht. Um in die Zukunft sehen zu können und das Zusammenspiel von Ozonkonzentration, Treibhausgasen und Dynamik in der Atmosphäre besser zu verstehen wird auch die Chemie in der mittleren Atmosphäre interaktiv im Modell gerechnet. So kann der Einfluss der Regeneration der Ozonschicht auf die Oberfläche unter zukünftigen Klimabedingungen erfasst werden.

 

Kopplung der langzeitlichen Klimavariabilität auf der Nordhalbkugel an solare Schwankungen

Die sogenannte Nordatlantische Oszillation (NAO) ist eines der wichtigsten Zirkulationsmuster auf der Nordhalbkugel mit direktem Einfluss auf Wetter und Klima in Europa. Wissenschaftler:innen des GEOMAR und anderer internationaler Einrichtungen konnten nachweisen, dass die NAO vom natürlichen, elfjährigen Zyklus der Sonnenaktivität beeinflusst wird. Für die Untersuchungen wurde ein Klimamodell benutzt, welches den Ozean und die Atmosphäre beinhaltet. Zusätzlich verfügte dieses Modell noch über eine detaillierte Atmosphärenchemie, welche die Wirkung von Variationen der ultravioletten Strahlung mit dem Sonnenfleckenzyklus in höheren Schichten der Atmosphäre besonders gut berücksichtigen konnte. Diese zusätzliche Komponente war der Schlüssel, um die Schwankungen in der solaren Einstrahlung über kom­plexe Wirkungsmechanismen aus der Stratosphäre in 10 bis 50 Kilometern Höhe in die untere Atmosphäre zu übertragen. Dazu wurden Experimente mit und ohne den Einfluss des elfjährigen Sonnenzyklus durchgeführt.

Die Forscher*innen fanden dabei, dass, sobald die Amplitude des Sonnenzyklus groß genug ist, ein Signal bis auf die Erdoberfläche zu beobachten ist und die dekadische Komponente der NAO mit dem Sonnenzyklus synchronisiert wird. Sowohl im Experiment als auch in Beobachtungsdaten ist dies seit den 1930er-Jahren festzustellen. In diesem Zeitraum waren die Schwankungen der Sonne besonders groß, sodass sie sozusagen den Takt für die NAO angegeben hat. Dank der großen Modelldatenmenge konnte erstmals auch die dekadische Vorhersagbarkeit, die mit dem elfjährigen Sonnenzyklus zusammenhängt, bestimmt werden: In Teilen des Nordatlantiks ist die Sonne für bis zu 25 Prozent der dekadischen Schwankungen der Oberflächentemperaturen im Winter verantwortlich. Da in derselben Region die Vorhersagbarkeit durch andere externe Taktgeber wie beispielsweise Treibhausgase besonders gering ist, ist die Hoffnung groß, durch die neuen Erkenntnisse dekadische Vorhersagesysteme weiter zu verbessern.