Meeresbiologin Dr. Kathrin Busch vom GEOMAR vor dem Tauchroboter ROV KIEL 6000 während der Expedition SO254 auf dem Forschungsschiff SONNE im Südpazifik. Foto: Tanja Stratmann, GEOMAR
Der mit 5.000 Euro dotierte BRIESE-Preis für Meeresforschung 2021 wurde heute an die Meeresbiologin Dr. Kathrin Busch vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Mitte) verliehen. Links: Kapitän Klaus Küper von der BRIESE-Reederei. Rechts: stellvertretender IOW-Direktor Detlef Schulz-Bull. Foto: Kristin Beck, IOW

Ans Licht gebracht – Tiefseeschwämme und ihre überraschend vielfältigen mikrobiellen „Mitbewohner“

BRIESE-Preis 2021 für Dr. Kathrin Busch vom GEOMAR

22.04.2022/Warnemünde/Kiel. Der BRIESE-Preis für Meeresforschung 2021 geht an Dr. Kathrin Busch vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Die Jury würdigt damit ihre herausragende Forschung zu Tiefseeschwämmen samt der in ihnen lebenden Mikroorganismen. Sie untersuchte deren Biodiversität weltweit und analysierte zusätzlich die Einflussfaktoren der umgebenden Ökosysteme. Neben neuen Erkenntnissen zu diesen Lebensgemeinschaften liefert ihre Arbeit auch eine wissenschaftliche Basis, um Schutz und nachhaltige Nutzung der empfindlichen Tiefseeschwamm-Ökosysteme zu verbessern. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wird von der Reederei Briese Schiffahrts GmbH & Co. KG gestiftet und vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) wissenschaftlich betreut.

„Kalt, dunkel und ständig unter Druck.“ So lebensfeindlich beschreibt Dr. Kathrin Busch, Meeresbiologin am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, den Lebensraum, der im Zentrum ihrer jetzt mit dem BRIESE-Preis 2021 ausgezeichneten Doktorarbeit stand. Die Wissenschaftlerin ist Mitglied der Forschungseinheit Marine Symbiosen des GEOMAR, geleitet von Professorin Dr. Ute Hentschel Humeida. Dr. Busch erforscht die Tiefsee, jenen lichtlosen Bereich des Ozeans ab 200 Meter Wassertiefe, der gut 90 Prozent des gesamten Raumes auf der Erde ausmacht, in dem Leben existieren kann. Was dort wie lebt, ist aber weitgehend unbekannt, denn bisher sind weniger als fünf Prozent der Tiefsee erforscht und weniger als 0,001 Prozent wurden quantitativ beprobt.

„Dennoch sollten diese unzugänglichen Meeresregionen nicht ignoriert werden, denn in Zeiten von zunehmendem menschgemachten Umweltstress werden dringend Basisdaten benötigt, um auch dort einen nachhaltigen Umgang mit potenziell bedrohten Ökosystemen sicherzustellen. Und grade Tiefseeschwammgebiete gelten als wertvolle Hotspots der Artenvielfalt und Funktion in der Tiefsee“, sagt die Kieler Meeresbiologin über ihren Forschungsgegenstand. „Als Lebewesen, die Schwebstoffe und Nahrungsbakterien aus dem Wasser herausfiltern, spielen Schwämme eine wichtige Rolle in der Reinigung von Meerwasser und der Nahrungskopplung zwischen Wassersäule und Meeresgrund. Auch dienen sie vielen anderen Meeresbewohnern, nicht zuletzt kommerziell wertvollen Fischbeständen, als Laichgrund, Kinderstube und Zufluchtsort. Wenn man aber Schwämme und ihre Ökosystemfunktionen verstehen will, muss man sich mit ihren mikrobiellen ‚Mitbewohnern‘ befassen“, so Dr. Busch weiter.

Trotz der großen logistischen und technischen Herausforderungen, die mit Tiefseeforschung immer verbunden sind, ist es Dr. Kathrin Busch nun gelungen, in einer wahren Pionierarbeit die weltweit umfangreichste Beprobung des sogenannten Mikrobioms von Tiefseeschwämmen vornehmen. Darunter versteht man alle Mikroorganismen, die natürlicherweise Meeresschwämmen bewohnen, die wiederum in den unterschiedlichsten Ökosystemen der Tiefsee festsitzend leben. Dazu sammelte Busch an 52 Tiefsee-Schwammgründen, die vom Nordatlantik bis in den Südpazifik verteilt liegen, 1077 individuelle Schwämme samt ihrer mikrobiellen Begleitflora sowie 355 Mikrobiome aus Meerwasser- und 114 Mikrobiome aus Sedimentproben, um diese mit den Schwamm-assoziierten Organismen zu vergleichen. Ergänzt wurde dies jeweils von zahlreichen Referenzproben und Messungen, mit deren Hilfe sie insgesamt 24 unterschiedliche Umweltparameter analysieren konnte, um die Ökosysteme zu charakterisieren, aus denen die Proben jeweils stammten. Die Probennahmen und Messungen wurden auf 20 Schiffsexpeditionen durchgeführt; an vier davon nahm sie persönlich teil, für die anderen traf sie minutiöse organisatorische Vorbereitungen, damit andere Forschende dies für sie übernehmen konnten. So entstand in internationaler Zusammenarbeit im Rahmen des EU-Projektes „SponGES“, in das ihre Doktorarbeit integriert war, der größte existierende Datensatz seiner Art.

Die mikrobielle Vielfalt in den Proben bewertete Dr. Kathrin Busch mittels einer speziellen Gensequenzierung, ergänzt durch diverse hochauflösende Mikroskopie-Techniken. Die unterschiedlichen Schwammarten wurden durch eine Kombination aus taxonomischen und molekularen Markern bestimmt. Außerdem bediente sich Busch verschiedener Methoden aus der Bioinformatik und des maschinellen Lernens sowie eigenständiger Programmierung und Modellierung, um den großen Datensatz zu analysieren und Muster und Regeln zu erkennen.

„Den wichtigsten Einfluss auf die Variabilität der mikrobiellen Gemeinschaften hatten – nicht ganz unerwartet – allgemeine Umweltparameter, genauer gesagt: Temperatur, Salzgehalt, Nährstoffe, Sauerstoff und Tiefe. Es zeigte sich aber auch, dass die taxonomische Zugehörigkeit der Wirtsschwämme und ihre Gestalt eine wichtige Rolle spielten. Interessanterweise kann die mikrobielle Vielfalt anhand der Morphologie des Schwamms vorhergesagt werden“, erläutert Dr. Kathrin Busch einige ihrer Erkenntnisse. Auch konnte sie in einer Pilotstudie charakteristische Mikrobiom-Unterschiede erkennen, je nachdem ob der untersuchte Schwamm aus einem Untersuchungsgebiet mit Grundschleppnetzfischerei oder aus einem Meeresschutzgebiet ohne Fischerei stammte.

„Meine Schlussfolgerung zur Zusammensetzung des Mikrobioms von Tiefseeschwämmen ist, dass jeder einzelne Schwamm einen individuellen Satz von Mikroben und einen großen Pool an neuartiger Vielfalt beherbergt.“ Dennoch gäbe es auch klare, übergreifende Muster von Spezifität, Stabilität und Variabilität. „Da die Zusammensetzung des Mikrobioms in direktem Zusammenhang zur Gesundheit der Schwämme steht, sind die jetzt gewonnenen Referenzdaten wichtig, um Integrität und Widerstandsfähigkeit von Tiefseeschwammbeständen zu überwachen. Meine Ergebnisse können also eine wissenschaftliche Grundlage bieten, um langfristige Managementstrategien zum Schutz der empfindlichen Tiefsee-Schwamm-Ökosysteme zu ermöglichen“, so die BRIESE-Preisträgerin abschließend über ihre Arbeit.

Die Jury zur Vergabe des BRIESE-Preises zeigte sich insgesamt höchst beeindruckt von der vorgelegten Promotionsarbeit. In der Begründung zur Preisvergabe heißt es unter anderem: „Basierend auf einer hohen Anzahl von Publikationen (6) hat Kathrin Busch eine extrem gelungene und grundlegende Arbeit zu Schwamm-Mikrobiomen der Tiefsee vorgelegt, was nicht zuletzt die Bestnote ‚summa cum laude‘ widerspiegelt. Der starke Bezug zur Forschungsschifffahrt ist unverkennbar, wobei neben der eigenen Mitfahrt auf vier Fahrten auch die konzertierte Probennahme zahlreicher anderer Gruppen erfolgreich organisiert wurde. Beeindruckend ist außerdem die angewendete methodische Vielfalt, um quantitativ auswertbare Ergebnisse aus einem so schwer zugänglichen Lebensraum wie der Tiefsee zu erlangen, aber auch interpretieren zu können. In der Ausrichtung von Datenaufbereitung und Methodik ist die Arbeit sehr weit- und in die Zukunft blickend und sich auch der Verantwortung sehr bewusst, auf Basis der Ergebnisse gesellschaftliche Anforderungen in Bezug auf Nutzung sensibler Ökosysteme abzuleiten.“

„Wir von der Reederei BRIESE freuen uns, auch in diesem Jahr wieder ein besonderes wissenschaftliches Talent auszeichnen zu können. Für die Preisträgerin, die mit ihrer Arbeit Erkenntnisse über eine weitgehend unerforschte Welt ‚ans Tageslicht‘ brachte, scheint der BRIESE-Preis geradezu wie gemacht. Denn ihre Ergebnisse basieren auf 20 Schiffsexpeditionen – was verdeutlicht, wie unverzichtbar Schiffe als Forschungsplattformen sind, um den größten Lebensraum der Erde zu erforschen“, betont Klaus Küper, Leiter der Abteilung Forschungsschifffahrt der Reederei Briese, anlässlich der 12. Verleihung des BRIESE-Preises für Meeresforschung.

„Dr. Kathrin Buschs Arbeiten decken eine eindrucksvolle Bandbreite der Ozeanforschung von der Probennahme auf seegehenden Expeditionen bis hin zur Anwendung modernster Analysemethoden ab und zeugen von einem außerordentlichen Engagement“, lobt Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des GEOMAR. „Ich gratuliere sehr herzlich zu der wohl verdienten Auszeichnung mit dem BRIESE-Preis und bin gespannt, welche Geheimnisse der Tiefsee Frau Busch zukünftig für uns lüften wird. Am GEOMAR hat sie schon jetzt zu einem verbesserten Verständnis des für uns so entfernten und doch so wichtigen Lebensraums beigetragen.“

Informationen zur BRIESE-Preisträgerin 2021:

Dr. Kathrin Busch (Jahrgang 1991) studierte Biologie (Bachelor) an der Universität Würzburg und der schwedischen Universität Umeå (2010 bis 2013). Nach ihrer Bachelorarbeit am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven und absolvierte sie anschließend ein Masterstudium in Biologischer Ozeanographie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (2013 bis 2016). In dieser Zeit arbeitete sie bereits wissenschaftlich im Kieler GEOMAR, wo sie dann auch im Rahmen ihrer Promotionsarbeit (2016 bis 2020) forschte. Originaltitel „Biodiversity of deep-sea sponge microbiomes in the ecosystem context“, Note: 1 mit Auszeichnung („summa cum laude“); Betreuer:innen: Prof. Dr. Ute Hentschel Humeida und Prof. Dr. Arne Biastoch, beide GEOMAR / Universität Kiel.

Busch ist zertifizierte Forschungstaucherin und Wissenschaftskommunikatorin (Schwerpunkt: Datenvisualisierung und Informationsdesign). Im Lauf ihrer Forschungstätigkeit nahm sie bislang an sechs jeweils einmonatigen Schiffsexpeditionen teil. Ihr Heimathafen ist seit Anfang 2021 weiterhin Kiel, wo sie ihre Forschung am GEOMAR fortführt.

Informationen zum BRIESE-Preis:

Der BRIESE-Preis für Meeresforschung wird von der Reederei Briese Schiffahrts GmbH & Co. KG (Leer/ Ostfriesland) gestiftet, die für die Bereederung der mittelgroßen deutschen Forschungsschiffe, wie zum Beispiel die ELISABETH MANN BORGESE und die HEINCKE, sowie der größeren Forschungsschiffe METEOR, MARIA S. MERIAN und SONNE zuständig ist. Das IOW betreut die Preisvergabe wissenschaftlich. Seit 2010 werden jährlich herausragende Promotionen in der Meeresforschung prämiert, deren Ergebnisse in engem Zusammenhang mit dem Einsatz von Forschungsschiffen und der Verwendung und Entwicklung von Technik und / oder Datenerhebung auf See stehen.

Kathrin Busch vor dem Tauchroboter ROV KIEL 6000.
Meeresbiologin Dr. Kathrin Busch vom GEOMAR vor dem Tauchroboter ROV KIEL 6000 während der Expedition SO254 auf dem Forschungsschiff SONNE im Südpazifik. Foto: Tanja Stratmann, GEOMAR
Verleihung des BRIESE-Preises
Der mit 5.000 Euro dotierte BRIESE-Preis für Meeresforschung 2021 wurde heute an die Meeresbiologin Dr. Kathrin Busch vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Mitte) verliehen. Links: Kapitän Klaus Küper von der BRIESE-Reederei. Rechts: stellvertretender IOW-Direktor Detlef Schulz-Bull. Foto: Kristin Beck, IOW