Das Forschungsschiff METEOR ist zu einer zweiwöchigen Expedition gestartet, um die Flankeninstabilität des Ätna im Mittelmeer zu untersuchen. Foto: Felix Gross, CAU

Der Ätna ist mit mehr als 3000 Metern der höchste Vulkan Europas. Seine südöstliche Flanke ragt weit ins Mittelmeer und kann nur mit spezieller Messtehnik überwacht werden. Foto: Anne Krabbenhöft

Mithilfe von autonomen Tauchfahrzeugen (AUVs, autonomous underwater vehicles) wird die flächendeckende Kartierung des Meeresbodens vorgenommen. Foto: Katja Matthes

Fahrtleiterin Professorin Dr. Morelia Urlaub: Ein Forschungsschwerpunkt der Marinen Geowissenschaftlerin sind Naturgefahren wie Hangrutschungen und Tsunamis. Foto: Thore Sager, GEOMAR

Gehen während der Expedition in den Praxistest: Kleine Lander, die so genannten MOLAs sollen beispielsweise seismische Messungen am Meeresgrund einfacher und günstiger machen. Foto: Stefan Kontradowitz

Trafen sich in Catania, um über die weitere Zusammenarbeit ihrer Forschungseinrichtungen zu sprechen: Dr. Stefano Branca, Direktor des italienischen vulkanologischen Instituts (INGV) auf Sizilien (links) und GEOMAR-Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes. Dr. Alessandro Bonforte, Wissenschaftler am INGV, ist Teilnehmer der Expedition M198, deren Fahrtleitung Professorin Dr. Morelia Urlaub innehat. Foto: Branca

Auf Tauchstation zum Fuße des Ätna

METEOR-Expedition M198 setzt Forschung zur Flankeninstabilität fort

13.02.2024/Kiel/Catania. Der Ätna auf Sizilien ist der größte aktive Vulkan Europas. Seine Ostflanke reicht weit ins Mittelmeer hinein. Dass diese sich einige Zentimeter pro Jahr bewegt, konnten frühere Studien zeigen. Jetzt soll die Flanke flächendeckend kartiert und die punktuellen Messungen ausgeweitet werden, um die Voraussetzungen für die Errichtung eines Land und See umfassenden Observatoriums zu schaffen. Für diese Arbeiten ist das Forschungsschiff METEOR zu einer zweiwöchigen Expedition gestartet. Die Fahrtleitung hat die Geowissenschaftlerin Professorin Dr. Morelia Urlaub vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Vor der Fahrt trafen sich GEOMAR-Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes und der sizilianische Direktor des italienischen vulkanologischen Instituts (INGV) Dr. Stefano Branca, um über die weitere Zusammenarbeit ihrer Forschungseinrichtungen zu sprechen. Die gemeinsame Überwachung des Vulkans sowohl an Land als auch unter Wasser ist weltweit einzigartig.

Der Ätna ist der höchste Vulkan Europas. Mehr als 3000 Meter hoch, überragt sein Gipfel die Hafenstadt Catania an der Ostküste Siziliens. Ein großer Teil des Vulkans liegt allerdings unter Wasser – die südöstliche Flanke erstreckt sich bis weit ins Mittelmeer hinein. Und sie ist ständig in Bewegung, wie frühere Untersuchungen gezeigt haben. „Das gesamte Vulkangebäude ist sehr hoch und schwer“, sagt Professorin Dr. Morelia Urlaub, Marine Geowissenschaftlerin am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Das hat zur Folge, dass sich der Vulkan quasi ständig in alle Richtungen ausbreiten möchte. Am ehesten kann er das in Richtung Meer.“ Langsame Flankenbewegungen stellen an sich keine Gefahr dar, sie werden an vielen Vulkanen weltweit beobachtet. Jedoch gibt es auch Beispiele dafür, dass eine langsame Flankenbewegung plötzlich zu einem schnellen, katastrophalen Kollaps und einem verheerenden Tsunami führen kann. Festzustellen, wann und unter welchen Vorraussetzungen es zu gefährlichen Rutschungsereignissen kommen kann, ist ein Fokus der Forschung am GEOMAR.

Um die Struktur der Flanke besser zu verstehen, ist die Wissenschaftlerin jetzt mit einem deutsch-französisch-italienischen Expert:innen-Team zu einer Expedition vor der sizilianischen Küste aufgebrochen. Zentrale Fragestellung: Bewegt sich die Flanke im Ganzen oder in verschiedenen Blöcken? Flächendeckende Kartierungen des Meeresbodens mithilfe von autonomen Tauchfahrzeugen (AUVs, autonomous underwater vehicles) und punktuelle Langzeitmessungen sollen diese Wissenslücke füllen. Gemeinsam mit den Beobachtungen, die an Land zu den Bewegungen des Vulkans und dem Abrutschen der Ostflanke gemacht werden, kann so ein küstenübergreifendes Observatorium entwickelt werden.

Während an Land unter anderem satellitengestützte GPS- und Radarmessungen beim Monitoring des Vulkans helfen, funktioniert dies unter Wasser nicht. Doch die noch relativ junge Meeresboden-Geodäsie hat es möglich gemacht, mithilfe von Schallwellen auch diesen Bereich zu überwachen: 2016 wurde erstmals ein akustisches Vermessungsnetz aus fünf autonomen Transpondern am Meeresboden ausgebracht, das seitdem ständig Daten sammelt. „Dadurch, dass mehrere solcher Geräte miteinander kommunizieren, kann über die Laufzeit der Schallwellen der Abstand der Geräte zueinander zentimetergenau bestimmt werden. Verändert sich die Laufzeit, können daraus die relativen Bewegungen zueinander errechnet werden", erklärt Dr. Morelia Urlaub. Da die Geräte auf der einen Seite auf dem Teil der abrutschenden Flanke und auf der anderen Seite auf dem als stabil geltenden Stück des Hangs angebracht sind, kann so die relative Rutschungsrate des Hangs bestimmt werden. Alle paar Jahre müssen die Geräte überprüft und gewartet werden. So wird auch auf der Expedition M198 ein Programmpunkt das Einholen der Geodäsie-Stationen und das erneute Installieren des Messnetzes für weitere drei Jahre sein.

Gleichzeitig soll dieses Überwachungssystem am Meeresboden erweitert und ausgebaut werden. Dr. Morelia Urlaub: „Die bestehende Infrastruktur wird durch zwei Piezometer für Porendruck- und Temperaturmessungen in den oberen fünf Metern des Sediments ergänzt.“ Dieses Verfahren wurde an Vulkanflanken bislang noch nicht angewandt, doch die gemessenen Parameter könnten Informationen über Flankenbewegungen liefern. Dr. Jens Karstens, der als GEOMAR-Geophysiker ebenfalls mit an Bord ist, erklärt: „Durch die Bewegung eines Abschnitts der Flanke erwarten wir Änderungen des Porendrucks und der Temperatur, die wir mit den hochpräzisen geodätischen Messungen verbinden möchten. Gleichzeitig testen wir, ob es möglich ist im Vorfeld einer Flankenbewegung Änderungen im Fluidfluss zu messen. Solche Änderungen des Fluidflusses konnten im Zusammenhang mit Erdbeben bereits beobachtet werden – ob das bei Flankenbewegungen auch der Fall ist, ist noch unerforscht.“ Sollte also ein Signal im Porendruck messbar sein, wäre das ein großer Erkenntnisgewinn.

Karstens will während der Ausfahrt außerdem eine weitere Innovation testen, die im Technologiezentrum des GEOMAR entwickelt worden ist: MOLAs (Modular Ocean Lander Architecture) – mobile Lander, nicht größer als eine Camping-Kühlbox, die je nach Einsatz mit verschiedenen wissenschaftlichen Messinstrumenten ausgerüstet werden können und eine kostengünstige und zudem einfach zu handhabende Alternative zu den herkömmlichen übermannsgroßen Absetzrahmen bieten könnten.

Altbewährte Technik hingegen kommt zum Einsatz, um mehr über die Geschichte des Vulkans herauszufinden: Mit der Kettensackdredge werden Gesteinsproben genommen. Dr. Morelia Urlaub: „Der Ätna ist da entstanden und gewachsen, wo jetzt Wasser ist. Die unterschiedlichen Gesteine können uns mehr über sein Entstehen und damit auch über den Aufbau und die Struktur der Flanke verraten.“

Ein großes Interesse an der Forschungsarbeit hat natürlich auch das italienische vulkanologische Institut (Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia, INGV), mit dem das GEOMAR seit 2015 eng zusammenarbeitet. GEOMAR-Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes, die die Mittelmeer-Expedition begleitet, hat daher die Gelegenheit genutzt, ihren italienischen Kollegen, Direktor Dr. Stefano Branca, in Catania zu treffen. Sie betonte: „Die langjährige Partnerschaft zwischen dem GEOMAR und dem INGV ist von unschätzbarem Wert. Durch unsere Bemühungen an Land und unter Wasser tragen wir gemeinsam dazu bei, die Geheimnisse des Ätna zu entschlüsseln und ein global umfassenderes Verständnis für vulkanische Aktivitäten zu fördern. Besondere Bedeutung kommt den Erkenntnissen aus seegehender Forschung, wie sie auf Expeditionen wie dieser gewonnen werden, zu. Jeder Fortschritt in unserem Wissen ist ein weiterer Schritt hin zu Tsunami-Frühwarnsystemen, die maßgeblich zur Risikominderung und zum Schutz der Küstenbewohner beitragen werden.“

Die Forschung zu marinen Naturgefahren ist ein zentraler Fokus am GEOMAR. In diesem Bereich koordiniert das Institut das wegweisende Verbundprojekt MULTI-MAREX im Rahmen der dritten Forschungsmission „mareXtreme“ der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM).

Expedition auf einen Blick:

METEOR Expedition M198

Fahrtleitung: Prof. Dr. Morelia Urlaub

09.02.-22.02.2024

Start: Catania (Italien)

Ende: Catania (Italien)

Projekt-Förderung:

Die Expedition erhält Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Helmholtz-Gemeinschaft (Helmholtz-Nachwuchsgruppe „Do volcanoes collapse retrogressively?“; „MOLA - Modular Ocean Lander Architecture“ im Rahmen der Transferkampagne aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft).

Ein Schiff auf blauem Meer, im Hintergrund die Küste mit einem Vulkan

Das Forschungsschiff METEOR ist zu einer zweiwöchigen Expedition gestartet, um die Flankeninstabilität des Ätna im Mittelmeer zu untersuchen. Foto: Felix Gross, CAU

Wissenschaftliche Messgeräte an Bord eines Schiffes, im Hintergrund die Küste mit einem Vulkankegel

Der Ätna ist mit mehr als 3000 Metern der höchste Vulkan Europas. Seine südöstliche Flanke ragt weit ins Mittelmeer und kann nur mit spezieller Messtehnik überwacht werden. Foto: Anne Krabbenhöft

Blick auf das Meer, wo ein kleines gelbes torpedoförmiges Gerät schwimmt, darüber ein Regenbogen

Mithilfe von autonomen Tauchfahrzeugen (AUVs, autonomous underwater vehicles) wird die flächendeckende Kartierung des Meeresbodens vorgenommen. Foto: Katja Matthes

Eine Frau mit Helm hockt an Bord eines Schiffes neben wissenschaftlichen Messgeräten

Fahrtleiterin Professorin Dr. Morelia Urlaub: Ein Forschungsschwerpunkt der Marinen Geowissenschaftlerin sind Naturgefahren wie Hangrutschungen und Tsunamis. Foto: Thore Sager, GEOMAR

Leuchtend orange Bojen und ein oranger Würfel, auf dem "MOLA" steht

Gehen während der Expedition in den Praxistest: Kleine Lander, die so genannten MOLAs sollen beispielsweise seismische Messungen am Meeresgrund einfacher und günstiger machen. Foto: Stefan Kontradowitz

Zwei Männer und zwei Frauen sitzen gemeinsam am Tisch und lächeln in die Kamera.

Trafen sich in Catania, um über die weitere Zusammenarbeit ihrer Forschungseinrichtungen zu sprechen: Dr. Stefano Branca, Direktor des italienischen vulkanologischen Instituts (INGV) auf Sizilien (links) und GEOMAR-Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes. Dr. Alessandro Bonforte, Wissenschaftler am INGV, ist Teilnehmer der Expedition M198, deren Fahrtleitung Professorin Dr. Morelia Urlaub innehat. Foto: Branca