In der internationalen Klimaschutz-Debatte werden verschiedene großtechnische Maßnahmen diskutiert, die helfen sollen, die Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass sie ohne deutliche Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen nicht ausreichend wären. Grafik: Rita Erven/SPP1689

Climate Engineering reicht nicht aus, um Klimaziele zu erreichen

Neue Studie zeigt: drastische Reduktion von CO2-Emissionen ist in jedem Fall notwendig

13.9.2018/Kiel, Potsdam. Um die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden, wollen die Unterzeichner des Pariser Klimaabkommens die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad begrenzen. Das ist nur möglich, wenn die Staaten ihre Emissionen erheblich stärker reduzieren, als sie es bisher zugesagt haben. Wären großtechnische Maßnahmen zur Klima-Beeinflussung, sogenanntes  Climate Engineering, ein Alternative? Forschende des von der DFG geförderten Schwerpunktprogramms „Climate Engineering: Risiken, Herausforderungen, Chancen?“ veröffentlichen heute zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Großbritannien und Norwegen eine Studie in der internationalen Fachzeitschrift Nature Communications, die deutliche Defizite dieser Maßnahmen aufzeigt. Ohne eine drastische Reduktion der CO2-Emissionen wäre demnach auch Climate Engineering nicht in der Lage, die gesteckten Klimaziele zu erreichen.

Bei ungebremsten CO2-Emissionen ist das 1,5 Grad Ziel schon in wenigen Jahren überschritten, und um das 2-Grad-Ziel einzuhalten, müssten die globalen Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen jedes Jahrzehnt halbiert werden. Dafür sind die derzeitigen Selbstverpflichtungen der Staaten bei weitem nicht ehrgeizig genug: Selbst falls sie eingehalten werden, bleibt die Summe der globalen CO2-Emissionen bis 2030 konstant oder steigt sogar. Diese Diskrepanz hat zu einer verstärkten Diskussion über die Chancen und Risiken von gezielten Eingriffen ins Klima geführt. Diese sogenannten Climate-Engineering Techniken zielen zum Beispiel auf das Entfernen von CO2 aus der Atmosphäre oder eine höhere Reflexion von Sonnenlicht in der Atmosphäre ab.

Doch mit jeder dieser Methoden sind zahlreiche Unsicherheiten verbunden. Es bedarf laut den Autorinnen und Autoren noch umfangreicher Forschung, um die Kosten und Risiken für die Erdsysteme und die Gesellschaft sowie das Kühlungspotenzial jeder Technologie genauer einzuschätzen. Hinzu kämen bei vielen Methoden Investitionen in enorme Infrastrukturen und Ressourcen sowie komplexe internationale Regulierungen.
„Keine der vorgeschlagenen Climate-Engineering Techniken könnte realistisch innerhalb der nächsten Jahrzehnte in globalem Maßstab eingesetzt werden. Das heißt, man kann nicht damit rechnen, dass sie einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen des 2-Grad-Ziels – geschweige denn des 1,5-Grad-Ziels – leisten könnten“, sagt Mark Lawrence vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam, Erstautor der neuen Studie. Sollten Climate-Engineering Techniken je Anwendungsreife erreichen, dann mit hoher Wahrscheinlichkeit erst in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts. „Eine deutliche Verstärkung der Klimaschutz-Bemühungen ist derzeit der einzig plausible Weg, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen“, ergänzt Prof. Dr. Andreas Oschlies vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, Koordinator des DFG-Schwerpunktprogramms zur Bewertung von Climate Engineering und Co-Autor der Studie.

Das Autorenteam untersucht in seinem Artikel nicht nur die technischen Kapazitäten verschiedener Vorschläge, sondern äußert sich auch kritisch zur politischen Lage und zum öffentlichen Diskurs über Climate Engineering. „Climate Engineering wird international in der Klimadebatte bereits als gangbarer Alternativweg zu einer Begrenzung des Klimawandels gehandelt “, sagt Professor Oschlies, „diese unkritische Betrachtungsweise führt leicht dazu, dass wir uns in falscher Sicherheit hinsichtlich der Beherrschbarkeit des Klimawandels wiegen.“ Zu einer realistischen Einschätzung könne nur ein kontroverser und offener Diskurs führen, untermauert mit soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen. „Gerade diesen Diskurs wir mit dem Schwerpunktprogramm auch anstoßen und die gesellschaftlich zu führende Debatte zur Klimapolitik mit wissenschaftlicher Information unterstützen“, betont der Kieler Forscher. Dazu wird über http://www.climate-engineering.eu/ tagesaktuell über aktuelle Entwicklungen und Veröffentlichungen informiert. „Ob wir wollen oder nicht, ist das Thema Climate Engineering inzwischen ein wichtiger Teil der klimapolitischen Debatte“, so Oschlies.


Originalarbeit:
Lawrence, M. G., S. Schäfer, H. Muri, V. Scott, A. Oschlies, N.  E. Vaughan, O.  Boucher, H. Schmidt, J. Haywood and J. Scheffran (2018): Evaluating climate geoengineering proposals in the context of the Paris Agreement temperature goals, Nature Communications, September 2018, http://doi.org/10.1038/s41467-018-05938-3

In der internationalen Klimaschutz-Debatte werden verschiedene großtechnische Maßnahmen diskutiert, die helfen sollen, die Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass sie ohne deutliche Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen nicht ausreichend wären. Grafik: Rita Erven/SPP1689
In der internationalen Klimaschutz-Debatte werden verschiedene großtechnische Maßnahmen diskutiert, die helfen sollen, die Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass sie ohne deutliche Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen nicht ausreichend wären. Grafik: Rita Erven/SPP1689