Die Segelyachten des "Ocean Race" wie hier die Malizia Seaexplorer sammelten Daten zu Kohlendioxid im Ozean. Foto: Marin LeRoux, polaRYSE

Dr. Tobias Steinhoff (rechts) und Melf Paulsen (links) vor den im Maschinenraum der MS ATLANTIC SAIL installierten Messgeräte. Foto: GEOMAR

Titel Global Carbon Budget 2023

Fossile Kohlendioxid-Emissionen erreichen neues Rekordhoch

GEOMAR trägt Daten zum heute erschienenen Bericht des Global Carbon Project bei

05.12.2023/Kiel. Der heute vorgestellte neue Bericht des Global Carbon Project zeigt, dass die fossilen Kohlendioxid-Emissionen 2023 einen Rekordwert erreichen werden. Sofern die Emissionen so hoch bleiben, wird das verbliebene Kohlenstoffbudget zur Einhaltung der international vereinbarten Grenze von 1,5 Grad Celsius globaler Erwärmung voraussichtlich in sieben Jahren aufgebraucht sein. Forschende des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel trugen auch in diesem Jahr Messdaten von Segelyachten und Handelsschiffen zu dem wegweisenden Bericht bei.

Die verbleibende Zeit, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen, läuft immer schneller ab. Dies zeigt die jährliche Bilanz des Global Carbon Projects (GCP). Laut dem heute vorgestellten Bericht werden sich die fossilen Emissionen von Kohlendioxid (CO2) im Jahr 2023 voraussichtlich auf 36,8 Milliarden Tonnen summieren und ein neues Rekordniveau erreichen, das 1,1 Prozent über den Werten von 2022 liegt. Zu der internationalen Initiative tragen auch Forschende des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel seit mehreren Jahren bei.

Regional waren die Trends sehr unterschiedlich: Während die fossilen Emissionen in Indien und China anstiegen (+8,2% bzw. +4,0%), sanken sie in Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika (-7,4% bzw. -3,0%) und geringfügig auch im Rest der Welt (-0,4%). Für Europa etwa begründen die Autor:innen den Rückgang mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und den Auswirkungen der Energiekrise. Das Wachstum in China sei teilweise auf eine verzögerte Erholung von den Auswirkungen der COVID-bedingten Lockdowns zurückzuführen.

Das GEOMAR unterstütze den diesjährigen Bericht wieder mit globalen Messdaten, die mit Hilfe von Handelsschiffen und anderen Plattformen gewonnen wurden. Hierzu zählen Daten von Bord des in diesem Jahr mit dem „Class 1 Label“ des Integrated Carbon Observation System (ICOS) ausgezeichneten Handelsschiffs MS ATLANTIC SAIL sowie von Yachten der „Ocean Race“-Regatta.

„Unser dauerhaftes Engagement in der Beobachtung des marinen Kohlenstoffkreislauf von verschiedensten Messplattformen trägt seit mehreren Jahren zu dieser richtungsweisenden Publikation bei“, betont Professor Dr. Arne Körtzinger, Meereschemiker am GEOMAR und Co-Autor des Global Carbon Budget 2023. „Je mehr wir auf diese Weise über die Auswirkungen des Klimawandels auf den Ozean erfahren, desto klarer wird der Trend. Eines ist jedoch schon sehr lange klar: Um die für uns lebenswichtigen wichtigen Funktionen des Ozeans zu erhalten, müssen die Treibhausgas-Emissionen global sinken.“

Globale CO2-Emissionen weit entfernt von den erforderlichen Einsparungen

Zusammen mit den Emissionen aus der Landnutzung belaufen sich die globalen CO2-Emissionen 2023 auf etwa 40,9 Milliarden Tonnen. Dies ist weit entfernt von den deutlichen Einsparungen, die nötig wären, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, so die Autor:innen. Zwar sei die Schätzung des verbleibenden Kohlenstoffbudgets mit großen Unsicherheiten behaftet, dennoch sei klar, dass die Zeit schnell ablaufe: Wenn das derzeitige Niveau der CO2-Emissionen anhält, könnte das verbleibende Kohlenstoffbudget für eine 50-prozentige Chance, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, in sieben Jahren und für 1,7 Grad Celsius in 15 Jahren aufgebraucht sein. „Es erscheint unausweichlich, dass wir das 1,5-Grad-Ziel überschreiten werden – und die letzten Jahre haben uns drastisch vor Augen geführt, wie gravierend die Folgen des Klimawandels bereits jetzt sind. Von den Staats- und Regierungschefs auf der Klimakonferenz in Dubai müssen deutlich höhere Anstrengungen bei der Emissionsreduktion beschlossen werden, um wenigstens das 2-Grad-Ziel noch einzuhalten,“ sagt Professorin Dr. Julia Pongratz, Professorin für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

CO2-Entnahme erstmals ausgewiesen

„Die Emissionen aus Entwaldung nahmen zwar leicht ab, aber sie sind immer noch zu hoch, um durch nachwachsende Wälder und Aufforstung kompensiert werden zu können“, sagt Dr. Clemens Schwingshackl, der gemeinsam mit Pongratz die Abschätzungen der Landnutzungsemissionen im GCP-Bericht leitete. Zurzeit wird etwa die Hälfe der Emissionen aus Entwaldung durch CO2-Aufnahme in nachwachsenden Wäldern und Aufforstung ausgeglichen. Durch technische Lösungen, wie etwa das sogenannte Direct Air Capture and Carbon Storage (DACCS), die unabhängig von Vegetation funktionieren, wird derzeit nur eine verschwindend geringe Menge CO2 aus der Atmosphäre entnommen. „Für die ‚netto-null‘ Emissionsziele sind in erster Linie massive Anstrengungen zur Emissionsreduktion unerlässlich. Für die Kompensation schwer vermeidbarer Emissionen wird zusätzlich ein starker Ausbau von CO2-Entnahmeverfahren notwendig sein“, so Dr. Schwingshackl.

El Niño macht sich bemerkbar

Für 2023 schätzen die Wissenschaftler:innen, dass etwa die Hälfte des emittierten CO2 durch Senken an Land und im Meer absorbiert wird. Der Rest gelangt in die Atmosphäre, deren CO2-Gehalt dadurch auf einen Jahresmittelwert von etwa 419 parts per million (ppm) ansteigen wird. In Bezug auf die Landsenke machte sich vermutlich bereits das Wetterphänomen El-Niño bemerkbar, das Mitte 2023 begonnen hat: Mit 10,4 Milliarden Tonnen CO2 nahm die Landsenke wesentlich weniger CO2 auf als in den vorigen Jahren, in denen sie durchschnittlich 12,3 Milliarden Tonnen absorbierte. „In El-Niño-Jahren schwächelt die Landsenke, weil Regionen wie der Amazonas und Südostasien von Dürre und Feuern betroffen sind“, sagt Professorin Dr. Pongratz. Der Ozean reagiert entgegengesetzt, auch wenn die Variationen von Jahr zu Jahr weniger stark ausfallen als an Land. Nach den außergewöhnlichen drei La Niña-Jahren in Folge (2020-2022), in denen die Ozeansenke nicht zugenommen hat, ist für 2023 erstmals wieder ein Anstieg der CO2 Aufnahme im Ozean auf 10.6 Milliarden Tonnen CO2 prognostiziert.

Die Wissenschaftler:innen vermuten, dass sich der Einfluss von El Niño auf die CO2-Senken an Land und im Meer in den kommenden Monaten weiter verstärkt und insgesamt zu einem stärkeren Wachstum der atmosphärischen CO2-Werte im Jahr 2024 führt.

Der Bericht über das globale Kohlenstoffbudget, der von einem internationalen Team von mehr als 120 Wissenschaftler:innen erstellt wird, bietet eine jährliche, von Fachleuten überprüfte Aktualisierung, die auf bewährten Methoden aufbaut und vollständig transparent ist. Er wird am 5. Dezember auf einer Pressekonferenz im Rahmen der 28. Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Dubai vorgestellt, bei der sich Vertreter:innen von mehr als 200 Staaten treffen, um über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens zu beraten.

Aus dem deutschsprachigen Raum sind Forschende des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA), des Karlsruhe Institut für Technologie, des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde der Ludwig-Maximilians-Universität München, des Max-Planck-Instituts für Meteorologie Hamburg, des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie Jena, des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung und der Universität Bern beteiligt.

Original-Publikation:

Friedlingstein et al. (2023) Global Carbon Budget 2023. Earth System Science Data, DOI: https://doi.org/10.5194/essd-15-5301-2023

Malizia Seaexplorer.

Die Segelyachten des "Ocean Race" wie hier die Malizia Seaexplorer sammelten Daten zu Kohlendioxid im Ozean. Foto: Marin LeRoux, polaRYSE

Dr. Tobias Steinhoff (rechts) und Melf Paulsen (links) vor den im Maschinenraum der MS ATLANTIC SAIL installierten Messgeräte. Foto: GEOMAR

Dr. Tobias Steinhoff (rechts) und Melf Paulsen (links) vor den im Maschinenraum der MS ATLANTIC SAIL installierten Messgeräte. Foto: GEOMAR

Titel Global Carbon Budget 2023

Titel Global Carbon Budget 2023