Installation von Messinstrumenten in der äquatorialen Verankerung bei 23°W. Foto: David Menzel/GEOMAR
Das Forschungsschiff METEOR während Messungen in der Nähe der PIRATA Oberflächenboje. Foto: Peter Brandt/GEOMAR
Akustischer Strömungsmesser bereit zur Auslegung. Foto: David Menzel/GEOMAR
Franz Philip Tuchen, Erstautor der Studie. Foto: Franz Philip Tuchen/GEOMAR

Strömungsdaten aus 20 Jahren für ein besseres Klima-Verständnis

Daten einer der längsten Messreihen im Tropischen Atlantik nun öffentlich zugänglich

30.06.2022/Kiel. Seit mehr als 20 Jahren misst ein Observatorium am Äquator bei 23° West die Geschwindigkeit eines für unser Klima wichtigen Systems von Meeresströmungen. Die bisher nur fragmentarisch verfügbaren Daten sind nun als ein zusammengefasster Datensatz zugänglich. Hintergründe zu den Messdaten und die Komponenten der Verankerungen beschreiben Forschende des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und französische und US-amerikanische Projekt-Partner in der Fachzeitschrift „Frontiers in Marine Science“. Die Veröffentlichung soll weitere Analysen und Modellrechnungen vorantreiben.

Von der Sauerstoff-Versorgung bis hin zur Entwicklung des Wettergeschehens: Ozeanströmungen sind für das Leben im Meer ebenso wichtig wie für das Klima angrenzender Kontinente. Am Äquator, bei 23° West, misst daher ein Ozean-Observatorium seit mehr als 20 Jahren bis in 3500 Meter Wassertiefe die Geschwindigkeiten des äquatorialen Strömungssystems. Wissenschaftler:innen des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel machten diese Langzeitserie jetzt im Verbund mit französischen und US-amerikanischen Projekt-Partnern erstmals allgemein als konsistenten Datensatz verfügbar. Die Beschreibung der einzelnen Geräte sowie weitere Details zu den Messungen und zu der Erstellung der Zeitserie wurden heute in der Fachzeitschrift Frontiers in Marine Science veröffentlicht.
 
„Nur mit Hilfe von kontinuierlich erstellten Zeitserien können wir Langzeittrends und Veränderungen in den Meeresströmungen auf klimarelevanten Zeitskalen von Jahren bis Jahrzehnten erkennen“, erklärt Dr. Franz Philip Tuchen. Der physikalische Ozeanograph begann 2014 als wissenschaftliche Hilfskraft des GEOMAR mit den Strömungsdaten zu arbeiten. Anschließend begleitete er als Doktorand des GEOMAR die Messungen weiter und war auf mehreren Schiffsexpeditionen für die Vorbereitung und Auswertung von Daten verantwortlich. Anfang 2022 wechselte er als Postdoktorand an das National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) Atlantic Oceanographic and Meteorological Laboratory in Miami, USA, von wo aus er die Zeitserie weiter betreuen wird. Er ist Erstautor der jetzt veröffentlichten Publikation.
 
„Messungen über einen langen Zeitraum durchzuführen, bedeutet häufig sowohl eine enorme finanzielle als auch logistische Herausforderung. Das gilt insbesondere, wenn wir entlegene, für unser Klima jedoch immens wichtige Regionen betrachten“, weiß Dr. Tuchen. „Deswegen ist es umso wichtiger, entsprechende Informationen jederzeit für alle Interessierten nutzbar zu machen. Die Veröffentlichung der Daten aller Instrumente von immerhin 13 Verankerungsperioden in einem einheitlichen und frei zugänglichen Datensatz, war daher ein längst überfälliger Schritt.“ Bisher wurde der als einer der längsten und etabliertesten des tropischen Ozeans geltende Strömungs-Datensatz immer nur zu einzelnen Komponenten zur Verfügung gestellt. Einzelne Teile dieses Datensatzes wurden bereits in mehr als 30 wissenschaftlichen Veröffentlichungen sowie verschiedenen Master- und Doktorarbeiten verwendet. „Dies war jedoch erst der Einstieg. Mit der Publikation aller Daten und deren konsistenter Analyse möchten wir das Verständnis der Dynamik des äquatorialen Atlantiks und des tropischen Klimas noch weiter vorantreiben.“
 
Unter anderem konnten anhand der Daten tiefe, regelmäßige Strömungen, sogenannte Deep Jets, und deren Einfluss auf Klimavariabilität bestimmt werden. Außerdem ließen sich dekadische Änderungen der oberflächennahen Zirkulation und deren Einfluss auf die Sauerstoffkonzentration nachweisen. Zukünftig könnten die Informationen auch verstärkt für die Validierung von Ozean- und Klimamodellen genutzt werden. „Die kontinuierlichen Messungen eröffnen detaillierte Einblicke in wichtige Elemente des Ozean- und des Klimasystems, deren Entwicklung unser Leben auf diesem Planeten in vielerlei Weise bestimmt“, betont Professor Dr. Peter Brandt, Professor für Physikalische Ozeanographie am GEOMAR und Co-Autor der Studie. „Die Auswertung und Analyse der Daten erfolgt in enger Zusammenarbeit von verschiedenen meereswissenschaftlichen Disziplinen von der Physik, Biogeochemie bis zur Biologie. Damit die beobachteten Strömungen richtig in Ozean- und Klimamodellen wiedergegeben werden, arbeiten Vertreter:innen der theoretischen, modellierenden und beobachtenden Ozeanografie eng zusammen. Nur so können Ozeanmodelle und Klimavorhersagen verbessert werden, um letztlich fundierte Aussagen über Klimaschwankungen und Klimawandel sowie deren Bedeutung für uns Menschen treffen zu können.“
 
Das Observatorium besteht aus zwei sogenannten Verankerungen. Für eine Verankerung wird ein langes Stahlseil fest am Meeresboden fixiert und durch Auftriebskörper senkrecht in der Wassersäule gehalten. So können entlang des Drahtes verschiedenste Instrumente platziert werden, welche beispielsweise Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff, Strömung und viele weitere Messgrößen aufzeichnen. Etwa alle ein bis zwei Jahre werden die Verankerungen mithilfe von Forschungsschiffen geborgen, die gewonnenen Daten ausgewertet und eine neue Verankerung ausgelegt. Das Observatorium am Äquator bei 23° West kombiniert eine Vielzahl von unterschiedlichsten Strömungsmessern, die sich in ihrer Messfrequenz und vertikalen Reichweite unterscheiden. Die nächste Forschungsreise zu der äquatorialen Verankerung und damit auch die nächste Aktualisierung der Zeitserie zu Strömungsgeschwindigkeiten ist für das Frühjahr 2023 mit dem Forschungsschiff MARIA S MERIAN geplant. Die Expedition MSM117 steht unter der Fahrtleitung von Dr. Rebecca Hummels, physikalische Ozeanographin am GEOMAR.
 
Hintergrund: beteiligte Projekte
Das Messobservatorium am Äquator ist ein wesentlicher Bestandteil des tropischen atlantischen Beobachtungssystems und wird in enger Kooperation mit der international genutzten Verankerung zur Vorhersage und Forschung im Tropischen Atlantik (Prediction and Research Moored Array in the Tropical Atlantic, PIRATA) durchgeführt. Die verschiedenen Phasen dieser Langzeitverankerung waren eingebettet in verschiedene nationale und internationale Programme, darunter

  • das Projekt Klima-Experiment im Tropischen Atlantik (Tropical Atlantic Climate Experiment, TACE) im Rahmen des Programms Klimavariabilität (Climate Variability and Predictability, CLIVAR) des Weltklimaforschungsprogramms (World Climate Research Programme, WCRP)
  • der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Sonderforschungsbereich (SFB) 754 „Klima-Biogeochemische Wechselwirkungen im tropischen Ozean“
  • das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Programm „Regionale Atlantikzirkulation im Globalen Wandel“ (Regional Atlantic Circulation and Global Change, RACE)
  • und das Europäische Projekt „Süd- und Tropischer Atlantik – klimabasierte Studien mariner Ökosysteme für nachhaltiges Management“ (South and Tropical Atlantic – climate-based marine ecosystem prediction for sustainable management, TRIATLAS).

 

Originalpublikation:
Tuchen, F. P., Brandt, P, Hahn., J, Hummels., R., Krahmann, G., Bourlès, B., Provost, C., McPhaden, M. J., Toole, J. M., (2022): Two decades of full-depth current velocity observations from a moored observatory in the central equatorial Atlantic at 0°N, 23°W, Frontiers in Marine Sciences, doi: https://doi.org/10.3389/fmars.2022.910979
 

 

Installation von Messinstrumenten
Installation von Messinstrumenten in der äquatorialen Verankerung bei 23°W. Foto: David Menzel/GEOMAR
Forschungsschiff METEOR
Das Forschungsschiff METEOR während Messungen in der Nähe der PIRATA Oberflächenboje. Foto: Peter Brandt/GEOMAR
Akustische Strömungsmesser
Akustischer Strömungsmesser bereit zur Auslegung. Foto: David Menzel/GEOMAR
Franz Philip Tuchen
Franz Philip Tuchen, Erstautor der Studie. Foto: Franz Philip Tuchen/GEOMAR