Bild des Monats: September 2015
Golfstrom im Ozean-Modell ORCA12
Unser Bild des Monats zeigt ausnahmsweise kein Schiff, keine Tiefseetiere und keine Tauchroboter, sondern ein Bild aus einem Computer. Zu sehen ist eine Momentaufnahme des Nordatlantiks. Die verschiedenen Farben stehen für unterschiedliche Strömungsgeschwindigkeiten. Deutlich sind dabei die Wirbel und Strömungen zu erkennen, die zusammengenommen den Golfstrom bilden. Er gehört zu den stärksten Meeresströmungen weltweit und sorgt mit seinen weit nach Norden reichenden Ausläufern in Mittel- und Nordeuropa für ein vergleichsweise mildes Klima. Der Golfstrom transportiert bis zu 100 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde an der amerikanischen Ostküste entlang nach Norden. Dabei ist er nur eine von mehreren sogenannten westlichen Randströmen, die für die Umverteilung von Wärme und Feuchte zwischen den Subtropen und Polargebieten verantwortlich sind.
Laut einigen Klimaprognosen könnte sich dieses Wärmeförderband bis zum Ende des 21. Jahrhunderts als Folge des Klimawandels abschwächen. Erst in den letzten Jahren ist es durch den Einsatz neuartiger, verankerter Messsysteme gelungen, die Stärke und Veränderlichkeit dieses Wärmeförderbandes kontinuierlich zu erfassen. Dennoch ist es bis heute unmöglich, den Golfstrom oder andere Meeresströmungen komplett über lange Zeiträume vor Ort zu beobachten.
Deshalb arbeiten die sogenannten „messenden“ Ozeanographen eng mit Kolleginnen und Kollegen zusammen, die auf der Grundlage von tatsächlichen Messdaten sowie physikalischen Gesetzen und mathematischen Regeln die Ozeane in Supercomputern modellieren. So lassen sich regional gewonnene Daten in globale Zusammenhänge einordnen und besser verstehen. Und so lassen sich in Vergangenheit und Gegenwart gewonnene Erkenntnisse auch auf die Zukunft übertragen.
Das vorliegende Bild stammt aus dem Ozeanmodell ORCA12. Je nach Fragestellung können Ozeanographen und Klimaforscher auf unterschiedliche Modelle zurückgreifen. Dabei gilt aber die einfache Faustregel: Je mehr Komponenten in das Modell einfließen und je höher es aufgelöst ist, desto länger dauert die Berechnung. Da können bei präzisen Nachbildungen komplizierter Strömungsverhältnisse auch mal mehrere Monate Rechenzeit auf Supercomputern zusammenkommen.
Mittlerweile werden diese Modelle nicht nur genutzt, um Klima- oder Strömungsmodelle zu erstellen. Sie können unter anderem helfen, Wanderungen von Tieren, zum Beispiel von jungen Aalen oder Schildkröten zu erklären beziehungsweise zu verstehen. Solche Daten sind wichtig, um effektive Schutzmaßnahmen für bedrohte Arten ergreifen zu können. Oder sie können eingesetzt werden, um den Weg von Treibgut in den Ozeanen nachzuvollziehen.
Gleichzeitig vergleichen die Modellierer ihre Ergebnisse immer wieder mit der Realität, um die Modelle weiter zu verbessern und zu eichen.
Weitere Informationen:
"Wo ist MH370?" Pressemitteilung zur Modellierung von Treibgut im Indischen Ozean
"Das Schicksal der Aale" Pressemitteilung zur Modellierung der Wanderwege des Europäischen Aals
"Fernwärme für den Golfstrom" Modellierung von Strömungen und Wirbeln rund um Südafrika
Die GEOMAR-Forschungseinheit "Theorie und Modellierung"