Hightech in der Tiefsee
27.05.2009/Kiel. Das Zeitalter der Entdeckungen ist noch lange nicht vorbei. Riesige Flächen unseres Planeten sind bis heute weitgehend unbekannt. Ihre Erforschung ist aufwändig, denn sie liegen mehrere tausend Meter unter der Meeresoberfläche. Hoher Druck und absolute Dunkelheit verwehren dem Menschen einen direkten Zugang. Modernste Geräte wie der ferngesteuerte Tiefseeroboter KIEL 6000 und das autonom operierende Unterwasserfahrzeug ABYSS des Kieler Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) ermöglichen Einblicke in die faszinierenden Unterwasserwelten. Erstmals arbeiteten jetzt beide gemeinsam vom deutschen Forschungsschiff METEOR aus an heißen Quellen am Mittelatlantischen Rücken.
Mitten im Atlantik bei neun Grad südlicher Breite. Wasser so weit das Auge reicht. Am Signalmast des deutschen Forschungsschiffs METEOR hängen zwei schwarze Bälle, dazwischen ein schwarzer Rhombus. Das Signal zeigt: Hier ist schweres Gerät im Einsatz. Vor einigen Stunden wurde eine vier Meter lange, gelbe „Zigarre“ zu Wasser gelassen: das autonome Unterwasserfahrzeug (Autonomous Underwater Vehicle, AUV) ABYSS, welches den Meeresboden in etwa 1500 Meter Tiefe mit einem hochauflösenden Echolot kartieren soll. Dort unten liegt das Objekt der Begierde für die Wissenschaftler an Bord der METEOR. Unter Leitung des Hamburger Geochemikers Dr. Richard Seifert wollen sie ein Hydrothermalfeld am Mittelatlantischen Rücken untersuchen. Der untermeerische Gebirgszug zieht sich über viele Tausend Kilometer durch den Atlantik. Doch niemand weiß, wie es am Meeresboden genau aussieht. Das AUV ABYSS vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) leistet also echte Pionierarbeit. Finden die Wissenschaftler mit seiner Hilfe eine viel versprechende Stelle für weitere Untersuchungen, geht das nächste Großgerät zu Wasser: der ferngesteuerte Tiefseeroboter (Remotely Operated Vehicle, ROV) KIEL 6000. Das kabelgeführte Gerät des IFM-GEOMAR liefert Live-Videoaufnahmen des gerade kartierten Meeresbodens. Schroffe Abhänge und nacktes Lavagestein deuten auf vulkanische Aktivität hin. Wenig später erfasst die Kamera mehrere Quadratmeter große Felder mit Muscheln, die sich an warmen Quellen angesiedelt haben. Über die Muscheln krabbeln Tiefseegarnelen und Krebse – eine Oase in der Tiefsee. Die Forscher sind begeistert.
„Die Genauigkeit der mit ABYSS durchgeführten Kartierung ist außerordentlich hoch. Objekte mit einer Größe von einem Meter konnten noch aufgelöst werden“, erläutert ABYSS-Teamleiter Dr. Klas Lackschewitz vom IFM-GEOMAR. „Genau solche Unterlagen fehlten uns bisher beim Einsatz von Tiefseerobotern wie dem KIEL 6000“, ergänzt der Leiter des ROV-Teams Dr. Friedrich Abegg. „Jetzt können wir unter Wasser viel Zeit sparen und unser Gerät deutlich schneller an die wirklich spannenden Untersuchungsobjekte heranführen.“
„Mit diesem ersten gemeinsamen Einsatz beider Tiefseegeräte haben wir gezeigt, wie effizient und leistungsfähig moderne Meeresforschung heute sein kann“, so IFM-GEOMAR Direktor Prof. Dr. Peter Herzig. Und auch der stellvertretende Direktor, Prof. Dr. Colin Devey freut sich: „Da sich beide Geräte gut ergänzen, lässt sich die teure Schiffzeit effizienter nutzen und wir bekommen dazu einen viel besseren, größeren und genaueren Datensatz aus dem Untersuchungsgebiet.“ Devey ist gleichzeitig Leiter des Schwerpunktprogramms „Vom Mantel zum Ozean“, in dessen Rahmen die METEOR-Expedition mit KIEL 6000 und ABYSS stattfand. Ziel der von Dr. Richard Seifert von der Universität Hamburg geleiteten Fahrt war unter anderem die Quantifizierung der Stoffflüsse aus hydrothermalen Systemen, den sogenannten Schwarzen Rauchern. Nach Abschluss der Forschungsarbeiten am Mittelatlantischen Rücken bestand ABYSS dann noch erfolgreich seinen Tiefseetest mit einer Tauchfahrt auf 6000 Meter.
Die Entdeckung neuer Lebensräume auf unserem Planeten kann weitergehen…
Hintergrundinformationen:
Das Schwerpunktprogramm 1144 „Vom Mantel zum Ozean“ untersucht interdisziplinär das mittelozeanische Spreizungssystem im Atlantik. Entlang des Mittelatlantischen Rückens quillt ständig neues Material aus dem Erdinneren und bildet neuen Meeresboden. Dabei entstehen Unterwasservulkane und heiße Quellen. Außerdem werden Nord- und Südamerika einerseits und Afrika beziehungsweise Europa andererseits immer weiter voneinander weg bewegt. Die Deutschen Forschungsgemeinschaft hat das am IFM-GEOMAR koordinierte Projekt seit 2003 mit 7,5 Mio. Euro gefördert. Neben Kieler und Hamburger Forschern sind auch Wissenschaftler aus Bremen, Hannover und Bonn an diesem Vorhaben beteiligt
Ansprechpartner:
Dr. Andreas Villwock (Öffentlichkeitsarbeit), Tel.: 0431 – 600 2802, avillwock@geomar.de