Dürre oder Überschwemmung? Gerade ärmere Länder zum Beispiel in der Sahelzone Afrikas könnten von zuverlässigen und regelmäßigen Kurzzeit-Klimaprognosen profitieren. Das Bild zeigt eine Straße in Mali. Foto: NOAA via Wikimedia Commons
Interne und externe Faktoren bei einer Kurzzeit-Klimavorhersage. Grafik: World Meteorological Organization, aus: Kushnir et al., Nature Climate Change 9, 94–101 (2019)

Startschuss für kurzfristige Klimaprognosen

Aktuelle Ozean- und Atmosphärendaten liefern Grundlage für zuverlässigere Modellierungen

30.01.2019/Exeter, New York, Kiel. Wie warm wird es morgen? Regnet es, oder scheint die Sonne? Diese Fragen beschäftigen Meteorologen rund um die Welt jeden Tag. Deshalb lassen sie auch täglich Wettermodelle laufen, die in Vorhersagen für die kommenden Tage münden. Zusätzlich werden seit einigen Jahren auch regelmäßig Prognosen für das Wettergeschehen der kommenden Monate gerechnet, in Europa beispielsweise vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage ECMWF in Reading (UK).

Davon zu unterscheiden sind langfristige Klimavorhersagen, die sich auf die Entwicklung über viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte beziehen. Sie berücksichtigen deutlich stärker auch externe Klimafaktoren wie die Sonnenvariabilität, die Spurengaszusammensetzung der Atmosphäre oder Vulkanausbrüche. Sie werden jedoch nur bei Bedarf gerechnet, zum Beispiel um einen neuen Bericht des Weltklimarates zu erstellen.

Die Lücke zwischen den täglichen Wettervorhersagen und saisonalen Prognosen einerseits und langfristigen Klimaprojektionen andererseits zu schließen, ist ein wichtiges Ziel der aktuellen Klimaforschung. Jetzt präsentiert eine Gruppe internationaler Klimawissenschaftlerinnen und Klimawissenschaftler unter Leitung des Met Office (UK) und des Lamont-Doherty Earth Institute der Columbia Universität (USA) mit Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in der internationalen Fachzeitschrift Nature Climate Change einen Ansatz, wie regelmäßig zuverlässige Klimavorhersagen für die nächsten zwei bis fünf Jahre erstellt werden könnten. Dabei sollen sowohl interne Klimaschwankungen als auch externe Einflüsse wie Sonnenzyklen und Kohlendioxid-Emissionen berücksichtigt werden.

„Klimavorhersagen für einen Zeitraum von wenigen Jahre sind für die Wirtschaft und die Politik, aber auch für die meisten Menschen viel interessanter als Aussagen darüber, wie das Klima in 100 Jahren aussehen wird“, hebt Prof. Dr. Katja Matthes, Co-Autorin der Studie und Leiterin des Forschungsbereiches „Ozeanzirkulation und Klimadynamik“ am GEOMAR, die Bedeutung dieser kurzfristigen Klimavorhersagen hervor. Die neue Studie zeigt, dass die kurzfristigen Klimavorhersagen sehr zuverlässig sein können, wenn die Klimamodelle mit realen Beobachtungsdaten des Ozeans und der Atmosphäre gestartet werden.

Hauptautor Professor Adam Scaife vom Met Office, der auch Angewandte Mathematik an der Universität Exeter, lehrt, betont: „Die Leistungsfähigkeit kurzfristiger Klimavorhersagen entwickelt sich rasant und folgt damit den Fußstapfen der Wettervorhersage, die seit den 1950er Jahren enorme Fortschritte gemacht hat. Unsere Studie zeigt, dass das Potential für solche Vorhersagen sehr hoch ist. Routinemäßige und international koordinierte Tests sind jetzt notwendig, um die Ergebnisse solcher Prognosen systematisch zu verbessern."

Mit Hilfe kurzfristiger Klimavorhersagen wäre die Menschheit besser in der Lage, sich gegen die Auswirkungen von Klimaschwankungen und -veränderungen zu wappnen. Gerade ärmere Länder, wie zum Beispiel in der Sahelzone Afrikas könnten von zuverlässigen und regelmäßigen Klimaprognosen, die sich auf die nächsten Jahre beziehen, profitieren.

Die Studie trägt die Erkenntnisse zahlreicher Studien der jüngsten Vergangenheit zusammen, die sich mit der Wechselwirkung verschiedener Klimafaktoren auf kurzen Zeiträumen beschäftigt haben. Darunter waren auch Forschungen, an denen Kieler Forscherinnen und Forscher wesentlich beteiligt waren, wie zum Beispiel der Einfluss des 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus sowie der Meeresoberflächentemperatur des Pazifiks auf atmosphärische Zirkulationsmuster über dem Nordatlantik.

„Bisher haben kurzfristige Klima-Vorhersagesysteme den Sonnenfleckenzyklus nur am Rande, wenn überhaupt, berücksichtigt. Jetzt zeigen wir, wie man das ändern kann“, sagt die Kieler Meteorologin Prof. Dr. Katja Matthes, die auch Mitglied in der entsprechenden Steuerungsgruppe des Weltklima-Forschungsprogramms (WCRP) ist.

Sie ist zuversichtlich, dass es schon in wenigen Jahren möglich sein wird, zuverlässige Prognosen für einige Jahre zu erstellen. „Wir werden nicht sagen können, ob es an einem bestimmten Tag in Kiel regnen wird oder nicht. Aber wir wollen erreichen, dass wir die langzeitliche Entwicklung wichtiger Klimaparameter wie der Temperatur oder des Niederschlages für einen Zeitraum von mehreren Jahren zuverlässiger als bisher vorhersagen können“, so Matthes abschließend.

 

Originalarbeit:

Kushnir, Y., A. A. Scaife, R. Arritt, G. Balsamo, G. Boer, F. Doblas-Reyes, E. Hawkins, M. Kimoto, R. K. Kolli, A. Kumar, D. Matei, K. Matthes, W. A. Müller, T. O’Kane, J. Perlwitz, S. Power, M. Raphael, A. Shimpo, D. Smith, M. Tuma and B. Wu (2019): Towards operational predictions of the near-term climate. Nature Climate Change 9, pages 94–101, https://www.nature.com/articles/s41558-018-0359-7

Dürre oder Überschwemmung? Gerade ärmere Länder zum Beispiel in der Sahelzone Afrikas könnten von zuverlässigen und regelmäßigen Kurzzeit-Klimaprognosen profitieren. Das Bild zeigt eine Straße in Mali. Foto: NOAA via Wikimedia Commons
Dürre oder Überschwemmung? Gerade ärmere Länder zum Beispiel in der Sahelzone Afrikas könnten von zuverlässigen und regelmäßigen Kurzzeit-Klimaprognosen profitieren. Das Bild zeigt eine Straße in Mali. Foto: NOAA via Wikimedia Commons
Interne und externe Faktoren bei einer Kurzzeit-Klimavorhersage. Grafik: World Meteorological Organization, aus: Kushnir et al., Nature Climate Change 9, 94–101 (2019)
Interne und externe Faktoren bei einer Kurzzeit-Klimavorhersage. Grafik: World Meteorological Organization, aus: Kushnir et al., Nature Climate Change 9, 94–101 (2019)