Forschungsbereich 3: Marine Ökologie

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Fischereiboot im Hafen von Wismar. Im Reallabor „Wismarbucht“ werden für Fischerinnen und Fischer in Mecklenburg-Vorpommern alternative Einkommensquellen entwickelt. Foto: Kai de Graaf, Uni Kiel

Auf dem Forschungsschiff ALKOR finden regelmäßig Ausfahrten zur Fischereiforschung statt. Erstmals sind jetzt Fischer an Bord. Sie werden in wissenschaftlichen Methoden geschult. Foto: Maike Nicolai, GEOMAR

Vom Fischer zum Förster der Meere

Forschende der Uni Kiel, des GEOMAR und der Universität Hamburg bilden auf der FS ALKOR Fischer in meereswissenschaftlichen Methoden aus

09.02.2024/Kiel. Vom 10. bis 16. Februar findet auf dem Kieler Forschungsschiff ALKOR erstmals eine Ausbildungsfahrt für Fischer aus Mecklenburg-Vorpommern statt. Wissenschaftler:innen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Universität Hamburg und des GEOMAR Helmholtz Zentrums für Ozeanforschung Kiel schulen insgesamt zehn Fischer in moderner Fischereiforschung und vermitteln ihnen Methoden der biologischen und ozeanographischen Probennahme. Die Ausfahrt ist Teil eines Piloten für ein Qualifizierungsprogramm für Fischer:innen zu Förster:innen der Meere (Sea Ranger), das im Herbst 2023 in Sassnitz (Rügen) startete. Die zukünftigen Sea Ranger sollen nach Abschluss der Ausbildung befähigt werden, Forschungsaufgaben wie Monitoring oder Probennahme in der westlichen Ostsee durchzuführen. Daraus können sie sich eine weitere Einkommensquelle erschließen.

Gemeinsame Pressemitteilung aus dem Projekt SpaCeParti der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Universität Hamburg und des GEOMAR Helmholtz Zentrums für Ozeanforschung Kiel

Wenn am 10. Februar die ersten Fischer an Bord des Kieler Forschungsschiffes ALKOR gehen, sind sie Pioniere. Sie absolvieren eine Zusatzausbildung zum geprüften Fachwirt für Fischerei und Meeresumwelt, kurz Sea Ranger, und sollen später Aufgaben in der Forschung, im Umweltmonitoring oder im Tourismus übernehmen können. Die Ausbildung ist ein Ergebnis des vom BMBF geförderten Projektes SpaCeParti der Forschungsmission sustainMare der Deutschen Allianz für Meeresforschung (DAM). Wissenschaftler:innen aus Kiel, Hamburg und Rostock haben in den vergangenen zwei Jahren gemeinsam mit Vertreter:innen aus Fischerei, Tourismus und Behörden in einem so genannten Reallabor-Ansatz Alternativen für die Küstenfischerei in der westlichen Ostsee entwickelt.

Sea-Ranger-Ausbildung für eine zukunftsfähige Küstenfischerei

„Die Fischerei steht vor einer Transformation. Die Küstenfischerinnen und -fischer in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern brauchen neue Erwerbsmöglichkeiten. Sie sind gut ausgebildet und kennen die Küstengewässer sehr gut. Unser Ziel ist es, dieses Wissen zu erhalten und zu nutzen, um mit ihnen nachhaltige Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Dafür haben wir einen transdisziplinären Ansatz gewählt und im Reallabor ,Wismarbucht‘ die Ideen der Fischerinnen und Fischer aufgenommen. Gemeinsam arbeiten wir nun an der Sea-Ranger-Ausbildung“, sagt Professorin Dr. Marie-Catherine Riekhof, Direktorin des Center for Ocean and Society des CAU-Forschungsschwerpunktes Kiel Marine Science (KMS) und Leiterin des Projektes SpaCeParti – Küstenfischerei, Biodiversität, Nutzung und Klimawandel: Ein partizipativer Ansatz zur Navigation der westlichen Ostsee in eine nachhaltige Zukunft.

Monitoring für die Meeresforschung – neue Aufgabe für die Fischerei

Die Fischerei in der gesamten Ostsee befindet sich in einer schwierigen Lage. Zu hoher Fischereidruck und die Folgen des Klimawandels haben die Bestände der einstigen Brotfische Dorsch und Hering so dezimiert, dass eine wirtschaftlich tragfähige Fischerei auf lange Sicht kaum möglich ist. Im vergangenen Jahr wurde lediglich eine Beifangquote beschlossen, die allenfalls eine regionale Direktvermarktung, aber keine gezielte Fischerei auf Hering oder Dorsch erlaubt. Alternative Einkommensquellen für die verbliebenen Fischereibetriebe könnten daher in den Bereichen Natur- und Umweltschutz, Bildung, Tourismus oder auch in der Forschung, etwa im Bereich des fischereibiologischen Monitorings, liegen. „Die Küstenfischer haben durch ihre tägliche Arbeit auf dem Wasser einen hervorragenden Einblick in das lokale Ökosystem, und das in extrem hoher, räumlich-zeitlicher Auflösung. Von ihrem Wissen über Habitatnutzung, Wanderverhalten, Laichplätze oder Ernährung ihrer Zielfische wie zum Beispiel Dorsch oder Hering können auch wir noch viel lernen“, erklärt ALKOR-Fahrtleiter Dr. Steffen Funk vom Institut für Marine Ökosysteme und Fischereiwissenschaft der Universität Hamburg.

Neben theoretischen Grundlagen sollen die Fischer auf der sechstägigen Ausbildungsfahrt Einblicke in die Probennahme, -archivierung und Datenanalysen gewinnen. Ein Untersuchungsgebiet ist dabei die Beltsee. Hier werden die Zusammenhänge zwischen Umweltparametern und Reproduktionsbiologie der Fischarten der westlichen Ostsee, Dorsch und Hering, deutlich.

„Die jahrelange gute Zusammenarbeit mit den Fischern vor Ort, zum Beispiel in der Kieler Bucht, hat uns bereits gezeigt, wie wichtig die Beprobungen und Beobachtungen der Fischer sind. Sie tragen schon heute dazu bei, das Ökosystem besser zu verstehen und Veränderungen frühzeitig zu erkennen“, ergänzt Co-Fahrtleiter Dr. Felix Mittermayer aus der Forschungseinheit Marine Evolutionsökologie am GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Dieses Wissen wollen die Forschenden aus Kiel und Hamburg nutzen und unterstützen die von der Fischereigenossenschaft Wismarbucht eG seit Oktober 2023 durchgeführte Pilotausbildung zum Sea Ranger an der Berufsschule Sassnitz auf Rügen (Mecklenburg-Vorpommern) mit dem Ziel, das Berufsbild zu diversifizieren und weitere Auszubildende zu gewinnen.

Start und Zielhafen der ersten Ausbildungsfahrt mit dem Forschungsschiff ALKOR ist Kiel. Am 10. Februar starten die Forschenden mit fünf Fischern. Neben den Probennahmen stehen Arbeiten im Labor und ozeanografische Messungen etwa zum Sauerstoffgehalt auf dem Programm. In Rostock  trifft die ALKOR dann am 12. Februar auf das Forschungsschiff SOLEA des Thünen Instituts für Ostseeforschung, auf dem parallel Ausbildungsfahrten mit fünf Fischern in der Mecklenburger Bucht durchführt werden. Am 12. Februar wechseln die Fischer dort die Schiffe, so dass alle zehn das gleiche Ausbildungsprogramm durchlaufen.

Hintergrund SpaCeParti:

Das Projekt „SpaCeParti (Space, Climate Change, Participation) - Küstenfischerei, Biodiversität, Nutzung und Klimawandel: Ein partizipativer Ansatz zur Navigation der westlichen Ostsee in eine nachhaltige Zukunft“ ist eines von insgesamt fünf Verbundvorhaben der DAM-Forschungsmission sustainMare „Schutz und nachhaltige Nutzung mariner Räume“ und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) koordiniert das Projekt. Verbundpartner sind das Institut für Marine Ökosystem- und Fischereiwissenschaften mit dem Zentrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit im Exzellenzcluster „Climate, Climate Change, and Society“ der Universität Hamburg (UHH), das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung der Universität Leipzig (iDiv), das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, das Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock, sowie das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR).

Fischereiboot im Hafen

Fischereiboot im Hafen von Wismar. Im Reallabor „Wismarbucht“ werden für Fischerinnen und Fischer in Mecklenburg-Vorpommern alternative Einkommensquellen entwickelt. Foto: Kai de Graaf, Uni Kiel

Forschende beugen sich an Bord eines Schiffes über eine Wanne mit gefangenen Fischen

Auf dem Forschungsschiff ALKOR finden regelmäßig Ausfahrten zur Fischereiforschung statt. Erstmals sind jetzt Fischer an Bord. Sie werden in wissenschaftlichen Methoden geschult. Foto: Maike Nicolai, GEOMAR