Alles ist Plagiat? - Nichts ist Plagiat?

Alles ist Plagiat?

Es gibt Stimmen, die meinen, alle Wissenschaft sei "Plagiat", schließlich baue man auf den Arbeiten von anderen auf.

Josef Karner hat z.B. mit “Der Plagiator” einen interessanten Aufsatz über Plagiat in Kultur und Wissenschaft geschrieben. Dabei zitiert er Goethe(1):

“Ich verdanke meine Werke (…) Tausenden von Dingen und Personen außer mir, die mir dazu das Material boten. Es kamen Narren und Weise, helle Köpfe und bornierte, Kindheit und Jugend wie das reife Alter: alle sagten mir, wie es ihnen zu Sinn sei, was sie dachten, wie sie lebten und wirkten und welche Erfahrungen sie sich gesammelt, und ich hatte weiter nichts zu tun als zuzugreifen und das zu ernten, was andere für mich gesät hatten.”

Über allen Gipfeln

Um 1903 wurde sehr kontrovers diskutiert, ob nicht gerade der Meister Goethe selbst etwas liberal geborgt habe. Das Gedicht “Ein Gleiches” (wir kennen den Vers “Über allen Gipfeln ist Ruh”) ist laut Schaltenbrand (2) eine leicht verbesserte, etwas plagiatorische Übernahme eines Gedichts, das von Johann Daniel Falk geschrieben wurde:

Falk

Goethe

“In allen Wäldern hörest Du keinen Laut! Die Vöglein schlafen im Walde, Warte nur! Balde, balde Schläfst auch Du”

“Über allen Gipfeln ist Ruh, In allen Wipfeln Spürest du kaum ein Hauch; Die Vöglein schweigen im Walde. Warte nur, balde Ruhest du auch”

Man kann natürlich der Meinung sein, dass ersteres banal sei und die Worte von Goethe viel geschliffener. Es ist immer eine Frage der Grenzziehung – wo wäre es zu viel, den geistigen Ahnen zu benennen, und wo ist es absolut geboten darauf hinzuweisen? Wenn man alle tausend Leute, die einen inspiriert haben, aufzählen würde, würde man nie fertig werden.

Richtig zitieren Es ist eine Tatsache, dass man in der Wissenschaft nie alleine vor sich hin forscht – man baut immer auf den Arbeiten von anderen auf. Es wird Isaac Newton zugeschrieben, gesagt zu haben, dass man nur deswegen so weit sehen könne, weil man auf den Schultern von Giganten stehe (3). Es ist ein Teil unserer westlichen wissenschaftlichen Kultur anzugeben, wo man bestimmte Ideen oder Aussagen her hat – man zitiert. Dazu gibt es ziemlich genaue Regeln, wie man Zitate oder Paraphrasen angeben muss, die man in jedem Aufsatz oder Buch über das wissenschaftliche Arbeiten finden kann – oder eben auch bei Hausarbeiten-Börsen (4).

Tom Lehrer

Ein lustiges Lied von Tom Lehrer (MP3) suggeriert allerdings scherzhaft, dass man nur mit Plagiat vorankommen könne in der Wissenschaft – und nach den Enthüllungen der letzten Jahre, besonders in der biomedizinischen und physikalischen Forschung, wo anscheinend Fälschungen im großen Stil begangen werden, könnte man wirklich meinen, dass alle Wissenschaft nur mehr oder minder geschickt verkleidetes Plagiat sei. Vertreter dieser Sichtweise sind der Meinung, dass es nichts Neues gibt, es wird nur immer wieder anders formuliert. Daher finden sie, dass es gar kein Plagiat als solches geben kann – alles ist Plagiat.

Nichts ist Plagiat?

Es gibt interessanterweise auch die gegenteilige Meinung – dass es überhaupt kein Plagiat geben kann! Es gibt unterschiedliche Gründe, die hierfür angegeben werden.

Ideen sind kein Eigentum Die Vertreter einer recht radikalen Sichtweise finden, dass alle geistigen Äußerungen der Allgemeinheit gehören, sie verneinen also ganz und gar die Vorstellung davon, dass es geistiges Eigentum geben kann. Es wird von einer Allmende(=Gemeinschaftliches Eigentum), einer gemeinsamen Nutzung dessen, was wahr ist, gesprochen. Man meint, Gedanken gehören allen Menschen und nicht nur demjenigen, der sie zu Papier gebracht hat. Da sie den Gedanken des Besitzes an Ideen ablehnen, lehnen sie die Vorstellung vom Plagiat ab. Was nicht das Eigentum anderer ist, kann auch nicht geklaut werden.

Es gibt nur wenig Plagiat

Andere, wie der Autor Schaltenbrand, sind der Meinung, dass die Anzahl von Plagiaten so verschwindend gering ist gegenüber der Menge an Neuveröffentlichungen, dass man sie vernachlässigen kann. Einige Untersuchungen aus den USA belegen allerdings, dass recht viel mit Hilfe des Internets plagiiert wird.

(1) Goethe am Freitag, den 17. Februar 1832, an Eckerman, laut http://igda.ig.ohost.de/?p=2222

(2) Schaltenbrand, 1994, S. 59

(3) Inzwischen ist der Aussage aber auf Bernard von Chartres (um 1130) zurückgeführt worden, der schrieb "Pigmaei gigantum humeris impositi plusquam ipsi gigantes vident". (Zwerge, die auf den Schultern von Riesen stehen, sehen mehr als die Riesen selber)

(4) http://www.hausarbeiten.de/diehausarbeit.html

[Text aus: Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin: http://plagiat.htw-berlin.de/ff/definition/1_1/defs]